Ignatius von Loyola
(1491-1556): die Jesuiten – damals und heute
Prof. Dr. Josef Frickel – Vortrag bei der Föderation für Weltfrieden, am
31.10.2006
Vor 450 Jahren, am
31. Juli 1556, starb Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens. Aus diesem
Anlass fand der folgende Vortrag statt. Das folgende Video wurde mit
Unterstützung von ORF Religion (FeierAbend am 17. 04.
2006) gezeigt:
"Ein Feuer auf die Erde zu
werfen, bin ich gekommen, und wie wünsche ich, dass es schon entflammt
werde" (Lk 12,49). (lat: Ignem
veni mittere in terram, et quod volo nisi ut accendatur). Dieses Jesuswort, das im
Evangelium des Lukas überliefert ist, steht in großen Lettern am Altar des
Ignatius von Loyola in der Kirche "Del Gesù"
in Rom, der Hauptkirche der Jesuiten, wo auch die Überreste des Heiligen
verehrt werden.
Das Wort
vom "Feuer", das Jesus auf der Erde entzünden will, hat Ignatius, und
nach ihm der von ihm gegründete Jesuitenorden, die "Gesellschaft
Jesu", nicht nur "geistig" verstanden. Wie Jesus der Christus,
der "Gesalbte Gottes", wollen auch Ignatius und die Jesuiten die
Mission Jesu in dieser Welt weiterführen. Daher ihr Name: "Societas
Jesu", abgekürzt durch die bei den Buchstaben SJ, die jeder Jesuit hinter
seinem Namen schreibt: er ist "Socius Jesu",
Gefährte, Freund, Nachfolger Jesu in dieser Welt.
Dieses
Wort vom "Feuer", das Jesus auf der Erde entfachen will, ruft auf zur
Entscheidung. Nicht vom Feuer der Begeisterung, der feurigen Hingabe für das
Reich Gottes ist die Rede, auch nicht vom Feuer des Gerichtes. Das Wort vom
"Feuer" meint das Feuer der Zwietracht, das selbst die eigene Familie
entzweit. Lukas hat das Jesuswort vom Feuer mit einem anderen Jesuswort
verbunden, das ihm als Quelle vorlag. Dort geht es darum, Jesus nachzufolgen,
auf Gedeih und Verderb, bis hin zur Entzweiung der Familie.
Ignatius
und seine Nachfolger verstanden das Bild vom "Feuer" wörtlich so, wie
es im Evangelium bei Lk und bei Mt
heißt: "Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert;
und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert" (Mt 10,37). Und: "Wer nicht sein Kreuz (auf sich) nimmt
und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert" (Mt
10,38; Lk 14,27).
Diese
Worte aus dem Evangelium machen klar:
a) Es
geht bei Ignatius und seinen Gefährten um eine radikale Nachfolge Jesu.
Darum nannte die kleine Gemeinschaft sich von Anfang an „Compania
de Jesus", d.h. eine Gruppe von Gefährten, die gemeinsam Jesus nachfolgen
wollen. Ihr eigentlicher Führer, ihr "Capo", ihr "Haupt"
ist Jesus. Nicht Ignatius war der Chef oder der jeweilige Generalobere des
Ordens, auch nicht der Papst, dem die Jesuiten sich durch ein besonderes
Gelübde verpflichten. Nein: das "Haupt" der Jesuiten ist Jesus
Christus selbst. Er ist das Vorbild, an ihm nehmen sie maß, ihn versuchen sie,
in ihrem Leben und Arbeiten ähnlich zu werden.
b) Ein
zweiter Wesenszug des Ignatius und der Jesuiten kommt in dem spanischen
Namen der "Gesellschaft Jesu" zum Ausdruck: "Compania
de Jesus": er zeigt nicht nur die enge Gefährtenschaft
ihrer Mitglieder an, sondern betont zugleich die militärische Organisation des
Ordens. So gibt es nur einen einzigen Oberen, der gewählt wird: das ist der
Generalobere des Ordens, kurz auch "Pater General" genannt. Er wird
von den Mitgliedern der Generalkongregation gewählt, und zwar auf Lebenszeit.
Seine Wahl wird vom Papst bestätigt. Alle anderen Oberen des Ordens, sei es auf
überregionaler, regionaler oder lokaler Ebene, werden vom General (oder den vom
ihm Ermächtigten) ernannt, normalerweise für sechs Jahre. Die Leitung des
Ordens ist hierarchisch straff. Doch ist diese zentralistische Leitung nicht
von Anfang an geplant gewesen, sondern mit den vielfältigen Aufgaben der
Gesellschaft Jesu gewachsen.
Es ist
daher an der Zeit, auf das Leben des Ignatius einzugehen. Sodann soll über den
Jesuitenorden bis zu dessen Aufhebung im Jahre 1731 und in einem weiteren
Schritt über den Orden nach seiner Neugründung und seine heutige Tätigkeit
berichtet werden.
Wer war der Gründer der Jesuiten
Ignatius von Loyola?
1) Erste
Phase: Jugend und Offizier
Sein
eigentlicher Name war Inigo Lopez de Onaz y Loyola.
Er wurde 1491 in einer alten Adelsfamilie auf Schloss Loyola in der Nähe von
San Sebastian in Spanien, genauer im Baskenland geboren. Es war eine
Großfamilie mit elf Kindern, Inigo war der Letztgeborene.
Seine
Geburt und seine Jugend fallen in eine Zeit großer Umwälzungen in Spanien.
Ungefähr 20 Jahre vorher (1469) hatte Isabella, die Thronerbin des Königreiches
Kastilien und Leon, den Thronerben des Königreiches Aragonien, Ferdinand,
geheiratet. Diese Verbindung von Kastilien-Leon
sollte der Grundstein des spanischen Nationalstaates werden. Unter diesen
beiden gemeinsamen Herrschern, die man "die katholischen Könige"
nennt, begann die sog. Reconquista, die
Wiedereroberung Spaniens. Gemeint ist damit der Kampf der beiden christlichen
Könige gegen die maurisch-islamische Herrschaft, die seit dem 8. Jhdt. Spanien erobert hatten und beherrschten. Diese "Reconquista" endete mit dem Fall der maurischen
Hauptstadt Granada im Jahre 1492, kurz nach der Geburt Inigos. Das Bewusstsein,
Besieger der Mauren und wieder Herren im eigenen Land
zu sein, hat das Selbstbewusstsein und Lebensgefühl der Spanier entscheidend
beeinflusst.
Im
gleichen Jahr 1492 landete, im Auftrag der christlichen Könige, Christophero Columbus in Mittelamerika, später entdeckte er
die Kleinen Antillen, Jamaika, Puerto Rico and das südliche Mittelamerika.
Der Enkel
der "Katholischen Könige", der Sohn des Habsburgers Philipp des
Schönen und der spanischen Erbtochter Johanna (genannt "die
Wahnsinnige"), Karl von Habsburg, wurde im Jahre 1516, also mit 16 Jahren,
als Karl I (Carlos primeros) nach seinen Großeltern
König von Spanien. Vier Jahre später, im Jahre 1520, wurde er in Aachen von den
deutschen Kurfürsten zum Römischen König gewählt und durch seine Krönung wurde
er, mit dem Einverständnis des Papstes, zugleich "Erwählter Römischer
Kaiser". Er ist als Karl V (1500 - 1558) in die Geschichte eingegangen. Als
König von Spanien hatte Karl Mexiko und Peru erobern lassen und so das riesige
spanische Kolonialreich in Amerika begründet. Er konnte zu Recht sagen:
"In meinem Reich geht die Sonne nicht unter."
In diesem
16. Jhdt. war Spanien die erste Macht in Europe, ja
die Weltmacht schlechthin geworden. Das "Siglo d'oro" war angebrochen, das "Goldene
Jahrhundert", in dem Spanien der Welt große Künstler und Mystiker
geschenkt hat. Und einer dieser großen Mystiker sollte Inigo von Loyola werden,
dem wir uns jetzt wieder zuwenden.
Der junge
Adelige kam mit 14 Jahren an den Hof des Großschatzmeisters von Kastilien und
erhielt dort eine höfisch-ritterliche Erziehung. Fechten und Reiten waren
großgeschrieben, aber auch Tanzen gehörte dazu. Es gab, auch Liebesabenteuer,
Schlägereien und Ehrenhändel. Er schreibt später über diese Zeit: "Bis zum
Alter von 26 Jahren war er ein den Eitelkeiten der Welt ergebener Mensch und
vergnügte sich hauptsächlich an Waffenübungen, mit dem eitlen Verlangen, Ehre
zu gewinnen."
Nach dem Sturz
seines Dienstherren, der in Ungnade gefallen war, trat er in den Dienst des
Vizekönigs von Navarra, in Nordspanien. Dort trifft ihn im Jahr 1521 ein
Ereignis, das sein Leben radikal verändern wird. König Franz I. von Frankreich
erhebt Gebietsansprüche gegenüber Spanien, er dringt in das Königreich Navarra
ein und belagert sie Hauptstadt Pamplona. Obwohl die Stadt sich bereits ergeben
hatte, überredete Inigo den Befehlshaber der Zitadelle, der französischen
Übermacht Widerstand zu leisten. An Pfingsten 1521 wird Inigo beim Beschuss
durch die französischen Geschütze verwundet eine Kanonenkugel zerschmettert ihm
das rechte Bein unterhalb des Knies. Ohne Narkose wird er notdürftig operiert.
Der Widerstand der Verteidiger brach zusammen, die Zitadelle von Pamplona
musste sich ergeben. Die Sieger ehrten seine persönliche Tapferkeit und
brachten den Schwerverletzten auf das väterliche Schloss Loyola.
2) Zweite
Phase: Die Wandlung
Bald
musste Indigo erkennen, dass mit seiner Verwundung auch seine militärische
Laufbahn zu Ende war. Er vertrieb sich die Zeit mit dem Lesen von frommen
Büchern, denn Romane
waren im
Schloss nicht vorhanden. So las er halt das "Leben Christi" des
Kartäusers Ludolf von Sachsen und ein Buch mit Heiligenlegenden, wobei ihn
besonders das Leben des heiligen Franz von Assisi und das des hl. Dominikus
faszinierten. Beide hatten zirka 300 Jahre früher (um 1200) die nach ihnen
benannten Bettelorden gegründet, eben die Franziskaner und die Dominikaner.
Unter dem
Einfluss dieser Heiligenlektüre begann der Offizier Inigo daran zu denken,
selbst ein Leben wie diese faszinierenden Heiligen der Kirche zu führen. Das
Ideal dieser großen Gestalten, arm zu sein wie Jesus von Nazarethfund wie sie
ein Leben im Dienst Gottes zu führen, ohne feste Bleibe, erschien Inigo
plötzlich als neuer Lebensinhalt.
Dabei
machte der nunmehr 30 jährige auf seinem Krankenbett an sich selbst eine
eigenartige Beobachtung. Immer wenn er das Leben der Heiligen betrachtet und
daran denkt, ihr asketisches Leben nachzuahmen, verspürt er eine innere
Zufriedenheit, eine Freude und ein Friede, nicht nur kurze Zeit, sondern eine
Freude und ein Friede, die andauern. Wenn er dagegen an sein höfische und
ritterliches Leben von früher denkt, an den Dienst am Hof einer schönen Dame, so
macht ihm das zwar auch Freude, aber nur kurzfristig; bald aber machen ihn
diese "weltlichen" Gedanken unzufrieden und traurig.
Inigo
beginnt hier zum ersten Mal auf seine Gedanken und inneren Stimmungen zu
reflektieren, und diese Erfahrungen werden für ihn zu einem Schlüsselerlebnis,
das seine ganze zukünftige spirituelle Entwicklung prägen sollte. Diese
persönliche Erfahrung führte Inigo zu den Grundideen des später von ihm
verfassten "Exerzitienbuches". Er nennt dort die Reflexion darauf, dass
bestimmte Regungen in uns Gefühle von Trost oder Trostlosigkeit auslösen
"Unterscheidung der Geister".
3) Dritte
Phase: Manresa
Als Inigo
Februar 1522 einigermaßen genesen das elterliche Schloss verlässt, ändert er
total sein bisheriges Leben. Er pilgert zunächst zu einem baskischen
Wallfahrtsort{Aráuzazu) und gelobt dort Maria ewige
Keuschheit. Dieses Gelübde ist Frucht seiner Heiligenlektüre: wie seine
Vorbilder will er sich Gott allein widmen und weihen: irdische Liebe sieht er
als Hindernis zur vollkommenen Gottesliebe. Dann geht er weiter, immer zu Fuß,
zum Marienheiligtum der Benediktiner vom Montserrat, im Norden von Barcelona.
Drei Tage
bereitet er seine Generalbeicht vor, die er vor einem
der Patres ablegt. Diese Generalbeicht ist Ausdruck
für Inigo, dass er sein früheres Leben hinter sich lässt und ein radikal neues
Leben beginnt: ein Leben, das nunmehr ganz auf Gott und seinen menschgewordenen Sohn Jesus Christus ausgerichtet ist.
Die Generalbeicht markiert also den entscheidenden Wendepunkt, an
dem der Christ den alten Menschen bewusst ablegt und ein neues Leben beginnt;
ein Wendepunkt, von dem an er danach strebt, Jesus Christus immer ähnlicher zu
werden: ein anderer Christus (alter Christus) zu werden. Als solcher Wendepunkt
gehört die Generalbeicht auch wesentlich zu den
Ignatianischen Exerzitien.
Vom
Montserrat aus zieht sich Inigo in die nahe gelegene Ortschaft Manresa zurück, wo er außerhalb des Ortes wie ein
Einsiedler lebt, fast ein ganzes Jahr lang. Er lebt vom Betteln. Gebet und strenge
Bußübungen, wie er sie bei seiner Lektüre der Heiligenleben kennen gelernt hat,
füllen seine Tage. Er fastet, oft notgedrungen, er geht im Bettlergewand, meist
barfuss,
oft durchwacht er ganze Nächte; mehrfach am Tage geißelt er sich, um für seine
Sünden körperliche Buße zu tun und um die Heiligen nachzuahmen
.
Freilich,
seine Schuldgefühle bleiben, trotz häufiger Beichten. Seine harte Askese ist
Ichbezogen: es geht ihm vor allem um sein eigenes Seeleinheil. Ein mystisches
Erlebnis, das er am Ufer eines Flusses bei Manresa
hatte, reißt ihn schließlich aus seiner Introvertiertheit. Es wird ihm klar,
dass er Gott durch den Dienst an seinen Mitmenschen besser dienen kann als
durch seine asketischen Anstrengungen. Es ist ein fundamentaler Wandel für
Inigo: aus dem introvertierten Asketen wird ein glühender Apostel.
Inigo
bricht auf nach Jerusalem: dort, wo Jesus gelebt hat, will auch er leben; und
dort will er auch die Ungläubigen, d.h. die islamischen Türken, zum Christentum
bekehren. In Jerusalem findet Inigo mit seinen schwärmerischen Ideen bei den
kirchlichen Oberen, denen er sich zur Verfügung stellen will, kein offenes Ohr.
Denn: an Mission ist in dem von den Türken beherrschten Land nicht zu denken.
Eine kleine Gruppe von Christen wird an den heiligen Städten geduldet, muss
sich dafür aber still und unauffällig verhalten. So wird Inigo kurzerhand
zurückgeschickt und findet sich bald darauf in Spanien wieder.
Aber sein
Jerusalem-Experiment ist nicht umsonst gewesen. Es ist ihm klar geworden, dass
er ohne Studium und ohne Priester zu sein wenig oder nichts tun kann, um den
Menschen und ihren Seelen zu helfen. So lernt er Latein, die Sprache der
Priester, und studiert (in Alcalá und Salamanca) Philosophie. Auch beginnt er,
gleich gesinnte Gefährten um sich zu sammeln,
denen er
in Gesprächen seine geistlichen Erfahrungen weiterzugeben ver-
sucht.
Bald
fällt die kleine Gruppe, die ein einheitlich graues Kleid trägt, den
kirchlichen Behörden auf, besonders weil sie ohne kirchliche Erlaubnis
Katechismusunterricht erteilen. Es kommt zu einer kirchlichen Verurteilung: sie
dürfen sich nicht wie Mönche oder Priester kleiden, auch der
Katechismusunterricht wird ihnen für drei Jahre untersagt. Dieser Urteilsspruch
ist für Inigo entscheidend, Spanien zu verlassen und seine Studien in Paris
fortzusetzen.
4) Damit
beginnt eine vierte Phase im Leben Inigos: Studien und Aufenthalt in Paris.
Sechs
Jahre studiert er in Paris, Philosophie und Theologie. Es sind entscheidende
Jahre, vor allem, weil es ihm hier gelingt, einen Kreis von gleich gesinnten
Freunden zu finden, dem er seine in Manresa
gewachsene Spiritualität vermitteln kann. Dieser Freundeskreis ist der Kern der
späteren Gesellschaft Jesu. Sie wohnten, ihrer sieben, in Paris im selben
Kolleg: fünf davon waren Spanier, einer Portugiese und einer Savoyarde, Petrus
Faber oder Favre, der als einziger schon Priester
war. Am Fest Mariae Himmelfahrt 1534, also am 15.
August, legen diese sieben Studenten in einer Kapelle auf dem Montmartre
private Gelübde ab, wobei
Faber die
hl. Messe .1.05. Sie geloben Armut und ebenso Keuschheit. Gehorsam versprechen
sie nicht, da sie ja keinen Oberen haben. Dafür versprechen sie sich
gegenseitig, eine Pilgerfahrt ins Heilige Land zu machen.
Ignatius
- so nennt sich Inigo von nun an - war also von seinem frommen Wunschdenken
noch nicht geheilt. Sollte diese Pilgerfahrt j6doch scheitern, so wollten sie
nach Rom gehen und sich dort dem Papst für seelsorgerliche Arbeit zur Verfügung
stellen. Gedanken an eine Gegenreformation waren den sieben Freunden fremd.
Diese Idee wurde erst während des Reformkonzils, das von 1545 bis 1563 in
Trient tagte, aktuell.
Die
geplante Pilgerfahrt ins Heilige Land fiel auf Grund der politischen Lage ins
Wasser, so reisten die sieben Freunde nach Rom. Eine weitere mystische Vision,
die Ignatius in der kleinen Kirche "La Storta"
kurz vor Rom, widerfuhr. bestärkte ihn in dem Entschluss, mit seinen Gefährten
nach Rom zu gehen: Er sieht sich von Gott-Vater dem gekreuzigten Jesus zugesellt und er glaubt
dabei, (innerlich) die Worte zu hören: "Ich werde euch in Rom gnädig
sein" (Viele barocke Bilderhaben in Jesuitenkirchen diese Vision
festgehalten).
In Rom
werden die jungen Akademiker aus Paris, die inzwischen alle zu Priestern
geweiht worden waren, vom dem Farnesepapst Paul III.
(1534 - 1549) freundlich aufgenommen. Er machte gerne von ihrem Angebot
Gebrauch und bestätigte die "Gesellschaft Jesu" als neuen Orden der
katholischen Kirche. Das tat er, obwohl derselbe typische Merkmale der bisher
in der Kirche beheimateten Orden nicht mehr beibehielt. So verzichtete die
junge „Gesellschaft“ auf das gemeinsame Chorgebet, das in den alten Orden
selbstverständlich war, aufgrund ihrer seelsorgerlichen Arbeiten.
Auch will
die neue Gemeinschaft kein eigenes Ordenskleid: sie kleiden sich in einem
einfachen schwarzen Gewande, wie die sog. Weltpriester. Für die junge
Gesellschaft steht die aktive Arbeit in der Seelsorge im Vordergrund, nicht das
beschauliche Leben der alten Orden. Der Orden verlangt zwar von seinen
Mitgliedern auch eine tägliche Meditation, meist am frühen Morgen (vielfach für
die Dauer von einer Stunde; soweit möglich), aber die konkrete Arbeit mit den
Menschen steht im Vordergrund.
Di e
kleine Gruppe hatte sich also entschlossen, sich als eigenen Orden zu
konstituieren, dessen erstes Ziel die Verkündigung des christlichen Glaubens
und die Vertiefung desselben ist. Nicht mehr Selbstheiligung durch Askese und
Kontemplation ist ihre Devise, sondern Selbstheiligung durch Apostolat an den
Menschen. 1541 wählt die kleine Gemeinschaft Ignatius von Loyola zu ihrem
ersten Generaloberen, sein Amtssitz ist in Rom, um jederzeit dem Papst zur
Verfügung stehen zu können. Damit beginnt eine neue Epoche für Ignatius, die
zugleich eine erste Phase der neu gegründeten "Gesellschaft Jesu"
ist: des Jesuitenordens.
Die Gesellschaft Jesu: Ihre
Haupttätigkeiten bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1773
1)
Ignatius in Rom: Wirken und Tod
Ignatius
selbst blieb in Rom, wo er sich besonders für ehemalige Prostituierte
einsetzte. Ebenso für gefährdete Jugendliche, für Arme und Waisen. Er gründete
Häuser für diese Randgruppen der menschlichen Gesellschaft. und versuchte, sie
wieder in das normale Leben zu integrieren.
Vor allem
aber war es seine neue Funktion als Generaloberer des Ordens, die seine Zeit
zunehmend in Anspruch nahm. Er wurde beauftragt, eine Art "Regel" für
den neuen Orden, die sog. Konstitutionen, zu verfassen. Dies war für Ignatius
nicht eine wissenschaftliche Arbeit, sondern eine im höchsten Maße spirituelle
Aufgabe. Immer wieder sucht er im Gebet mit Hilfe der von ihm erfahrenen
"Unterscheidung der Geister" die richtige Formulierung zu finden, die
dem Willen Gottes am besten entsprechen könnte.
Mit Hilfe
seines Sekretärs, des Spaniers Juan de Polanco, ist
ihm die Abfassung der "Konstitutiones"
gelungen. Gleichzeitig oblag ihm die Leitung des rasch sich ausbreitenden
jungen Ordens, der in den ersten hundert Jahren nach seiner Gründung ein
geradezu phänomenales Wachstum erlebte. Überall in Europa strömten
Idealistische, vor allem junge Menschen dem neuen Seelsorgeorden zu, Akademiker
und Adelige, die sich den Idealen des Ordens weihten und seine neuen Aufgaben
mittragen wollten, sei es in der beginnenden Mission in Asien, Afrika und
Amerika, sei es in der neuen Bewegung der Gegenreformation, die in den
protestantisch gewordenen Ländern Mittel- und Nordeuropas während des
Reformkonzils von Trient einsetzte.
Beides,
Mission und Gegenreformation, waren gewaltige Aufgaben, die Ignatius und seine
Gefährten ursprünglich nicht ins Auge gefasst hatten, die ihnen jetzt jedoch
zeitbedingt von der "göttlichen Vorsehung" geradezu zugewiesen
wurden. Als Oberer des Ordens hatte Ignatius dieses immer größer werdende Apostolat
des Ordens zu koordinieren und zu leiten, was ihm dank der Hilfe seines
Sekretärs möglich war. Mehr als 7000 Briefe von Ignatius sind erhalten, Zeugnis
des riesigen Arbeitspensums, das er bewältigte. Als er am 31. Juli 1556 in Rom
stirbt, war Ignatius ein von Krankheit und Arbeit verbrauchter Mann. Er starb
allein, allein mit seinem Schöpfer, so wie er alle großen Entscheidungen seines
Lebens getroffen hatte.
2)
Ignatius und seine "Geistlichen Übungen"
Ignatius
und der Jesuitenorden sind nicht zu verstehen ohne die "Geistlichen
Übungen", die sog. Exerzitien. Darum soll hier auch ein kurzes Wort über
die "Ignatianischen Exerzitien" gesagt werden, die bei der
"Unterscheidung der Geister" und bei der "Lebensbeichte"
(bzw. Generalbeicht) des Ignatius in Manresa und Montserrat schon angesprochen wurden.
Vor
allem: die Ignatianischen Exerzitien sind langsam entstanden: in einem Zeitraum
von ungefähr 14 Jahren, zwischen 1522 und 1535. Sie sind die Frucht der
mystischen Erfahrungen Inigos, vor allem in dem Jahr von Manresa,
aber auch in Paris, wo Ignatius seine geistlichen Übungen an und mit seinen
Freunden ausprobierte.
Vorab:
das Exerzitienbuch ist keine übliche spirituelle Literatur, zur geistlichen
Erbauung des Lesers geschrieben. Es ist vielmehr ein Handbuch eine kurze
Anleitung für den, der anderen diese geistlichen Übungen vorträgt, sie also
anleitet. Man muss diese geistlichen Übungen machen, sie üben, sie nicht nur
lesen! Nach dem bekannten Jesuiten Karl Rahner, der
1984 in Innsbruck gestorben ist, gehört die in dem Exerzitienbüchlein
verborgene Theologie zu den "wichtigsten Grundlagen des abendländischen
Christentums der Neuzeit".
Es geht
Ignatius dabei - wie in seinem eigenen leben - um eine radikale
Lebensentscheidung. In ihr soll der Mensch Gott (der Gottheit) persönlich
gegenübertreten und sich ganz persönlich vor Gott entscheiden. Wozu? Zu einem
Leben für Gott, oder zu einem Leben gegen Gott. Dazu muss der Mensch in diesen
Exerzitien sich Gott persönlich stellen, d.h., er muss Gott unmittelbar erfahren:
ohne Mittelsperson, ohne Priester, ohne Vermittlung der Kirche. Das soll in der
persönlichen Begegnung mit Jesus geschehen, der für uns gekreuzigt wurde und
für uns auferweckt wurde.
Entscheidend
ist in den Exerzitien die Frage: Was will Gott in meinem leben von mir
persönlich? Von mir ganz persönlich? Was habe ich in der unendlichen Vorsehung
zu tun? Was ist Sinn und Aufgabe meines einzigartigen Lebens?
Das ist
die absolut existentielle Frage der geistlichen Übungen. Sie soll den Menschen
hinführen zu einer ganz existentiellen, ganz persönlichen Entscheidung, eine
Entscheidung, die mein gesamtes Leben radikal angeht. Ich muss also meine
konkrete Aufgabe, meine Lebensaufgabe, erkennen. Ich muss mein Leben
"ordnen'.
Nach den
Exerzitien soll der Mensch in die Welt zurückkehren, um diese seine
Lebensaufgabe zu erfüllen, mit Gottes Hilfe. Sei es in der Ehe also
verheiratet, sei es ehelos, was in den Augen Inigos als Mensch das 16. Jhdts. natürlich vollkommener ist. Manches im
Exerzitienbuch ist aus der Sicht des spanischen Edelmannes formuliert. So
versteht er Gott grundsätzlich als „Göttliche Majestät". Er bedarf keiner
Gottesbeweise. Gott ist selbstverständlich der absolute "Herr" aller
Dinge, der Schöpfer des Himmels und der Erde.
Daher
steht lapidar am Anfang der Exerzitien "als Prinzip und Fundament"
der Satz:
"Der
Mensch ist geschaffen - dazu hin, Gott Unseren Herrn zu loben, Ihm Ehrfurcht zu
erweisen und zu dienen, und damit seine Seele zu retten."
Weiter
heißt es: "Die anderen Dinge auf der Oberfläche der Erde sind zum Menschen
hin geschaffen, und zwar damit sie ihm bei der Verfolgung dieses Zieles helfen,
zu dem er geschaffen ist."
Hieraus
folgt: "dass der Mensch dieselben (d.h. alle Dinge) so weit zu gebrauchen
hat, als sie ihm auf sein Ziel hin helfen, und sie so weit lassen muss, als sie
ihn daran hindern."
Hier hat
Ignatius ein Prinzip formuliert, das wie ein roter Faden die ganzen geistlichen
Übungen durchzieht. Denn: dieses Prinzip soll das ganze Leben desjenigen
prägen, der diese Exerzitien macht.
Noch
einmal: "Der Mensch (hat) alle Dinge so weit zu gebrauchen, als sie ihm
auf sein Ziel hin helfen und (er) hat sie so weit zu lassen, als sie ihn daran
hindern".
Das ist
das ganze "Prinzip und Fundament" der geistlichen Übungen des Ignatius.
3)
Missionstätigkeit des Ordens
Wie schon
erwähnt, war die Missionierung der neu entdeckten Länder von Ignatius und
seinen Gefährten ursprünglich nicht explizit geplant. Eine Bitte des Königs von
Portugal an Ignatius, Missionare nach Indien zu schicken, war der Beginn einer
Missionstätigkeit, die innerhalb der nächsten 200 Jahre die "Gesellschaft
Jesu" zum größten Missionsorden innerhalb der katholischen Kirche machen
sollte.
Ignatius
sandte einen seiner besten Gefährten aus Paris, den Spanier Franz Xaver, der 15
Jahre jünger als Ignatius selbst war. Anfang Mai 1542 landete Franz Xaver in Goa an der Westküste Indiens: nach der Entdeckung und
Eroberung der (neuen) Welt begann die geistige und geistliche Eroberung dieser
Länder.
Franz
Xaver reiste mit Vollmachten des Papstes und begann, mit Hilfe von
Dolmetschern, eine ausgedehnte Predigttätigkeit. Er taufte Tausende von
Einheimischen, außer in Gor auch in Cochin, Ceylon, Malakka, selbst in Japan, wo er auch zu Buddhisten
persönliche Kontakte hatte. Daneben schrieb er sehr viele Briefe nach Rom, die
dort abgeschrieben und weitergegeben wurden. Eine großartige Publizität für die
Mission im Mittleren und Fernen Osten, und natürlich auch für den jungen Orden
selbst. Jahr für Jahr folgten ihm bald junge Jesuiten nach Indien.
In Goa wurde ein eigenes Seminar gegründet, das bald zum
Zentrum der Indienmission des Ordens wurde, ja in der Folge der Ausgangspunkt
der gesamten Asienmission des Ordens, die innerhalb weniger Jahrzehnte
aufgebaut wurde.
Damals
begann auch ein erster Dialog zwischen den verschiedenen Religionen. Im Jahr
1590 lud der Mogul Akbar der Große, eine Art Kaiser von Indien, Vertreter aller
in seinem Reich ansässigen Religionen zu einem Glaubensgespräch ein. Jesuiten
aus Goa nehmen daran als Vertreter der christlichen
Religion teil. Tatsächlich schwebte dem Mogul eine Art "Einheitsreligion“
vor, welche die positiven Elemente aus allen Religionen enthalten sollte. Diese
auf dem Hintergrund des Hinduismus nur zu verständliche Idee, konnte von Vertretern
solcher Religionen, die ein Wahrheitsmonopol für sich in Anspruch nehmen,
freilich nicht geteilt werden. So blieb dieser großartigen Initiative der
Erfolg versagt. Ähnlich wie in Indien und Fernost gründeten Jesuitenmissionare
Missionsstationen in Südamerika und Mittelamerika.
4)
Chinamission und Ritenstreit
Vierzig
Jahre nach der Ankunft Franz Xavers in Indien begann die Mission der Jesuiten
in China (1581), in dem Reich, das vorher Europäer nicht betreten durften. Ihre
Missionsmethode beruhte dort, mehr noch als zuvor schön in Indien, auf dem
Prinzip der Akkomodation. Das heißt, dass die
jeweilige kulturelle Situation, die einheimische Mentalität, bei der
Verkündigung der christlichen Botschaft berücksichtigt werden sollte.
Dieses „Akkomodationsprinzip“ ist mehr als schlaue Diplomatie!
Vielmehr achtet dieses Prinzip die jeweilige Kultur anderer Völker, denen die
Frohbotschaft als Evangeliums verkündet werden muss. Christliche Mission soll
nicht Europäisierung sein, sondern Inkulturation des
Evangeliums, d.h. Einfügung der Frohbotschaft in die jeweilige Kultur eines
Landes, eines Volkes.
Das setzt
voraus, dass die Missionare selbst erst einmal die Kultur und die Sprache des
Missionslandes kennen lernen müssen! Denn nur so können sie herausfinden, was
in der neuen Kultur mit der christlichen Botschaft vereinbar ist und was nicht.
Es geht also darum, das kulturelle Erbe fremder Völker zu respektieren und für
die Verbreitung der "Frohen Botschaft" zu nützen.
Solche
"Inkulturation des Evangeliums" gelang den
Jesuiten zuerst in Indien, dann aber vor allem bei der Missionierung Chinas. Es
waren besonders die bedeutenden Leistungen einiger Jesuiten des 16. und 17.
Jahrhunderts, die diese Inkulturierung vollzogen
haben. Unter ihnen verdienen die beiden italienischen Patres Robert de Nobili (1577 - 1656) und Matthäus Ricci (+ 1610), sowie der
Deutsche Adam Schall von Bell (+ 1666) genannt zu werden. Diese Missionare
waren Priester und Gelehrte zugleich. die wissenschaftliche
Traktate über Optik. Astronomie und Musik veröffentlichten. Sie waren bei den
chinesischen Gelehrten hoch angesehen. Schall reformierte den chinesischen
Kalender und wurde vom Kaiser zum Hofastronom ernannt. Viele Chinesen bekehrten
sich zur christlichen Religion.
Vierzig
Jahre arbeiteten die Jesuiten allein in China. Ihre Arbeit war von Erfolg
gesegnet. Sie waren vertraut mit den Sitten des Landes, sie beherrschten die
chinesische Sprache. Doch mit dem Eintreffen anderer christlichen Missionare,
vor allem Franziskaner und Dominikaner, begann der verhängnisvolle Ritenstreit,
der über hundert Jahre dauern sollte. Er behinderte die christliche Mission in
China und endete schließlich mit einem definitiven Verbot des Papstes der Akkomodationsmethode der Jesuiten (1742). Die kirchliche
Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 bedeutete für die christliche
Mission des Ordens in China das endgültige Aus.
Worum
ging es bei diesem Riten- oder Akkomodationsstreit
wirklich? Zwei Punkte machten die neuen Missionare den Jesuiten zum Vorwurf:
1) da war
erstens der chinesische Name Gottes "Tien-tschu",
was "Herr des Himmels" bedeutet, da die chinesische Sprache keinen
Eigennamen für Gott kennt. Die Gegner behaupteten, damit sei der materielle
Himmel gemeint, nicht aber der persönliche Schöpfergott.
2) Der
zweite Streitpunkt war die große Nachsicht der Jesuiten gegen manche Gebräuche
der Ahnenverehrung, die im Volke unantastbar waren. So versammeln sich z.B. an
bestimmten Tagen alle Mitglieder einer Familie in einem Saal, um ihre Voreltern
zu ehren. Dabei werden Opfer verrichtet, man verbrennt Weihrauch und schlachtet
Tiere, welche darauf in einem gemeinsamen Mahl gegessen werden. Dieser Brauch
gründet sich auf die fast göttliche Verehrung und Achtung, welche die Chinesen
von jeher für ihre Ahnen gehabt haben. Er wird in jeder chinesischen Familie
beachtet.
Die
Jesuiten haben diese tief verwurzelten Gebräuche als Ausdruck bürgerlicher Ehrfurchtsformen gegenüber den Verstorbenen gedeutet, wie
das auch die Intellektuellen in China tun. Sie sahen darin nicht einen
spezifisch religiösen Brauch, der dem Christentum widersprochen hätte. Die
Franziskaner und Dominikaner dagegen deuteten diese Form der Ahnenverehrung als
religiösen Kultakt, der daher als abergläubisch und unchristlich abzulehnen und
den Christen zu verbieten sei.
Kurz: Die
Meinung und Toleranz der Jesuiten wurde nach langem hin und her schließlich
offiziell von Rom verurteilt. Damit zog sich die Kirche zugleich die
Feindschaft des chinesischen Kaiserhauses zu, die mit ein Grund für das Scheitern
der christlichen Chinamission werden sollte. Die kirchenoffzielle
Aufhebung der Jesuiten durch Papst Klemens XIV (1773) bedeutete für die Mission
des Ordens das Ende.
5) Der
Jesuitenstaat in Paraguay
Im Rahmen
der Jesuitenmission muss auch der sog, Jesuitenstaat in Paraguay erwähnt
werden. Dort hatte Spanien den Jesuiten 1609 ein eigenes Territorium
überlassen, und diese hatten dort eine Art theokratischen Staat aufgebaut, der
planwirtschaftlich organisiert war. Dort hatten die Jesuiten, Patres und Brüder,
versucht, die ca. 100.000 bis 150.000 Indianer, die bisher als Nomaden lebten,
sesshaft zu machen, indem sie Siedlungen für sie errichteten, natürlich mit
Hilfe der Indianer selbst, die unter Anleitung der europäischen Missionare
arbeiteten. Im Laufe der Zeit entstanden so ca. 30 Reduktionen, die jeweils
ihre eigene Infrastruktur hatten: eine Kirche als Zentrum des Dorfes, eine
Schule, Lebensmittelmagazine, medizinische Betreuung usw. Das ganze System
basierte auf der Naturalwirtschaft und auf dem Tauschhandel.
Den
Jesuiten ging es bei diesem Experiment darum, die Indianer zu geregelter Arbeit
zu erziehen, zunächst in der Landwirtschaft, aber auch handwerkliche
Tätigkeiten brachte man den Leuten bei. Da man die Vorliebe für Musik bei den
Einheimischen entdeckte, organisierte man eigene Musikkapellen, die bei Festen
und Prozessionen aufspielten, aber auch die Arbeit auf den Feldern ging mit
Musikbegleitung besser voran.
Die
Erfolge waren jedenfalls außergewöhnlich. Die Indianer fühlten sich als Menschen
ernst genommen. Grund und Boden waren Gemeineigentum, genau wie es die Jesuiten
mit Ihren Gelübden selbst hielten, die auf persönlichen Besitz verzichteten.
Doch auch
dieses vorbildliche Entwicklungsprojekt sollte nach 160 Jahren ein trauriges
Ende finden. Benachbarte Siedler aus Europa missgönnten den Jesuiten von
Paraguay ihre Erfolge. Immer wieder verübten sie Raubüberfälle auf die
Reduktionen, verschleppten Indianer auf ihre eigenen Siedlungen, wo diese
praktisch als Sklaven unter den aus Europa gekommenen Kolonialherren
ausgebeutet wurden.
Mitte des
18. Jhdts. wurde die Feindschaft einiger europäischer
Mächte gegen den Einfluss des Jesuitenordens so groß, dass sich die Reduktionen
in Paraguay nicht mehr halten ließen.
So
vertrieb bereits 1759 der Minister Pombál
(1699-1782), der als aufgeklärter Absolutist ein erbitterter Feind der
kirchlich-konservativen Jesuiten war, den Orden aus Portugal. Bald darauf
(1764) folgte Frankreich diesem antikirchlichen Beispiel und 1767 wiesen die
Bourbonen in Spanien die Jesuiten aus ihren Ländern aus. Dies bedeutete das
Ende der südamerikanischen Missionen, vor allem auch des Jesuitenstaates in
Paraguay. Das Land wurde von der spanischen Krone eingezogen, die Jesuiten
unter erniedrigenden Umständen des Landes verwiesen.
Mit
diesem kurzen Überblick über die weite Missionstätigkeit des Ordens haben wir
uns zeitlich bereits über 200 Jahre von der Gründung der "Gesellschaft
Jesu“ im Jahre 1540 entfernt. Doch die Gesellschaft Jesu war ja nicht nur ein Missionsorden.
Wenigstens ebenso bedeutend war seine Bedeutung in der Gegenreformation, die,
wie schon erwähnt mit dem Reformkonzil von Trient einsetzte und die wir kurz
aufzeigen wollen.
6) Der
Orden in der Gegenreformation
Der
Jesuitenorden ist nicht als Instrument der Gegenreformation gegründet worden.
Dass er es trotzdem wurde, kommt von dem besonderen Papstgelübde, in dem sich
die Mitglieder des Ordens dem Papst für besondere Aufgaben zur Verfügung
stellen, Und diese Aufgabe war um die Mitte des 16. Jhdts.,
die ganz oder teilweise im Protest gegen Rom evangelisch gewordenen Länder
nördlich der Alpen wieder zur Katholischen Kirche zurückzuführen.
Das ging
freilich nur in jenen Ländern, wo der Landesfürst selbst katholisch geblieben
war. Ohne die Hilfe und vor allem die finanzielle Unterstützung der
katholischen Landesfürsten lief in der Gegenreformation gar nichts mehr. Ich
beschränke mich hier auf die damals katholischen Länder, und dabei vor allem
auf die österreichischen Erblonde der Österreichischen Habsburger,
einschließlich der Königreiche Ungarn und Böhmen.
Den
Anfang machte der Herzog von Bayern, der 1549 - also kurz nach der päpstlichen
Anerkennung der Gesellschaft Jesu, einige Patres nach Ingolstadt kommen ließ,
wo er ein eigenes Kolleg, d.h. Schule mit Internat zum Wohnen errichten ließ.
Zusätzlich übernahm ein Jesuit den Lehrstuhl für Theologie an der schon
bestehenden Universität Ingolstadt. Es ging dabei darum, die
"unverfälschte" katholische Theologie wieder zu verbreiten und durch
entsprechend ausgebildete Priester wieder unter das Volk zu bringen.
Österreich
folgte diesem Beispiel. Erzherzog Ferdinand, der Bruder von Kaiser Karl V. und
spätere Kaiser Ferdinand I. berief 1551 die Jesuiten
nach Wien, um die Gegenreformation durchzuführen. Zehn Jahre später, 1562,
kamen die Patres nach Innsbruck, und weitere zehn Jahre danach, 1572, berief
Erzherzog Karl von Innerösterreich die Jesuiten nach
Graz, wo er ihnen zuerst die Seelsorge on der Hofkirche übertrug. Wenige Jahre
später, 1585, betraute Karl die Jesuiten mit der Leitung der von ihm neu
gegründeten Universität in Graz.
Wien,
Innsbruck und Graz, das waren die drei Landeshauptstädte jener drei
Landesteile, in die Kaiser Ferdinand die österreichischen Erbländer unter seine
drei Söhne aufgeteilt hatte. Etwas später kamen noch Niederlassungen des Ordens
in Linz und Klagenfurt dazu. Man erkennt unschwer die kluge Religionspolitik
der Habsburger in der Gegenreformation.
Überall
in diesen Landeshauptstädten gründeten die Jesuiten Schulen und Kollegien zum
Wohnen für die Studenten. Hier wurden die Zöglinge, Söhne des Adels und des
gehobenen Bürgertums, nicht nur in den klassischen Sprachen und den
Naturwissenschaften unterrichtet, sondern besonders im Geist der katholischen
Gegenreformation erzogen. Grundsatz des Ordens war es, die Söhne der
Führungsschicht zu treuen und überzeugten Katholiken heran zu bilden, und somit
die führenden und maßgebenden Köpfe der zukünftigen Generation für die
katholische Erneuerung einzusetzen.
Dieses
Prinzip der Elitenbildung leitete - und leitet auch heute noch - die
seelsorgliche und 'vor allem die wissenschaftliche Tätigkeit des Ordens. So
wirkten schon vom 16. Jhdt. an viele Jesuiten als
Beichtväter und Berater von katholischen Fürsten und von deren Familien.
Andere
Patres waren als Spirituäle, d.h. als geistliche
Führer von künftigen Priestern tätig. Besonders diese, letzte Tätigkeit war
eine Frucht des Reformkonzils von Trient, das die Einrichtung von sog.
Priesterseminaren empfohlen hatte. Viele Jesuiten waren außerdem als
Wissenschaftler und Prediger tätig. Kurz: der Orden war die eigentliche Seele
der katholischen Gegenreformation geworden.
7) Die
Aufhebung des Ordens 1773
Die
vielfältige Tätigkeit des Ordens hatte als Nebenwirkung, dass der Orden
zunehmend an politischem Einfluss gewann. Vor allem dos Wirken als Beichtväter
und Berater von Fürsten ließ sie indirekt auch auf politische Entscheidungen
Einfluss nehmen. Das führte nicht selten zu Konflikten, gerade auch mit
katholischen Regierungen.
Vielfach
bekämpften Jesuiten die Ideen der Aufklärung, in denen sie eine Bedrohung der
geistlichen Vormachtstellung der Kirche erblickten. Materieller Reichtum und
gelegentlich auch finanzielle Verfehlungen einzelner Patres kamen hinzu. So kam
es in der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. zu einer
wachsenden Gegnerschaft, die schließlich zur Vertreibung der Jesuiten aus
einigen europäischen Ländern und deren Kolonien in Übersee führte. Dabei fielen
die Besitzungen des Ordens an diese Länder. Am Ende brachte die Gegnerschaft
der bourbonischen Fürstenhöfe dem neuen Papst Clemens XIV. dazu, den
Jesuitenorden 1773 durch ein eigenes Dekret (Dominus ac Redemptor) offiziell
aufzuheben. Die Tätigkeit des Ordens war zu Ende.
In
manchen Ländern wurden die Jesuiten verhaftet oder deportiert, einige wurden
umgebracht. In Rom kam der Generalobere des Ordens in entwürdigende
Festungshaft. Andere Länder, z.B. Bayern, erlaubten den Patres die Seelsorge
als Weltpriester. Andere Jesuiten schlossen sich unter anderen Namen zu
religiösen Genossenschaften zusammen. Kurz: Offiziell war der Orden tot, aber
er war doch nicht ganz tot.
Am
wenigsten tot war der Orden in zwei nicht-katholischen Ländern, die sich um das
päpstliche Dekret nicht kümmerten. Das war im protestantischen Preußen unter
Friedrich dem Großen und im orthodoxen Russland der Zarin Katharina II.
Besonders in Russland lebte der Orden weiter. Er unterhielt dort ein eigenes
Noviziat für den Ordensnachwuchs, hatte einen
eigenen
Generalvikar. Nicht ganz 30 Jahre nach seiner Aufhebung bestätigte 1801 ein
anderer Papst, Pius VII, den Fortbestand des Ordens in Russland. Schließlich
wurde der Orden durch denselben Papst 1814 feierlich wiederhergestellt.
Die Gesellschaft Jesu nach der
Wiederherstellung
Hier lassen
sich zwei Etappen unterscheiden: die Zeit im 19. Jhdt.
bis ungefähr zum Beginn des 2. Weltkrieges, und die Zeit nach dem zweiten
Weltkrieg bis heute.
1) Der
Orden im 19. und in der 1. Hälfte des 20. Jhdts.
Schon vor
der offiziellen Wiederherstellung hatte der Orden in England und in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika sich niederlassen können. Nach der
Wiederherstellung fasste er in Frankreich Fuß, das nach der französischen
Revolution und nach der Ära Napoleons dringend der religiösen Erneuerung
bedurfte. Zahlreiche Kollegien wurden gegründet. Ähnlich bald auch in anderen
Ländern Europas. Außer in den Kollegien waren die
Mitglieder
vielfach in sog. Volksmissionen tätig.
Doch
wirkten die Jesuiten damals eher im Sinne einer Restauration, wie sie auf
politischem Gebiet bereits auf dem Wiener Kongress für die kommenden Jahrzehnte
vorgegeben worden waren, wie sie auch die katholische Kirche und der Papst als
Oberhaupt des Kirchenstaates gegen den aufkommenden Nationalismus und
Rationalismus vertrat. Die Jesuiten als "treue Soldaten" des Papstes
machten sich bei den liberalen Kräften Europas bald unbeliebt. Sie wurden
teilweise erneut vertrieben, sogar aus Russland, ebenso aus Spanien und
Portugal.
Intern
setzte der Orden auf straffe Disziplin. Um 1850 zählte er wieder ca. 6000
Mitglieder und zahlreiche Kollegien. Neue Missionen wurden gegründet: in
Indien, Südamerika, Australien. Auch innerkirchlich konnte der Orden seine
Position ausbauen und festigen. Mehrere Jesuitenzeitschriften entstanden: in Italien
die römische "Civiltá Cattolica",
in Deutschland die "Stimmen aus Maria Laach"
(die heutigen "Stimmen der Zeit"), in Paris die "Etudes". Hierin nahm der Orden im Sinne der
katholischen Kirche zu aktuellen Fragen in Kirche, Politik und Gesellschaftslehre
Stellung.
Die
wachsende Bedrohung der Kirche durch neue geistige Strömungen wie Liberalismus
und Fortschrittsglaube, Agnostizismus und Sozialismus führte dazu, dass die
Kirche sich zunehmend gegen diese Strömungen abschottete und von den Katholiken
Uniformität im kirchlichen Denken einforderte. Ein Dialog mit diesen modernen
geistigen Strömungen kam nicht zustande. Im Gegenteil!
Das
kirchliche Bücherverbot, der sog. "Syllabus"
von 1864, die Verkündigung der "vollen und höchsten Jurisdiktionsgewalt
des Papstes über die ganze Kirche" und das Dogma der Unfehlbarkeit des
Papstes auf dem 1. Vatikanischen Konzil von 1870 sind beredter Ausdruck dieser
defensiven Haltung der Kirche, die von den Jesuiten mehrheitlich entscheidend
mitgetragen wurde.
Infolge
dieser vom Orden mitgetragenen Abgrenzungspolitik kamen die Jesuiten in neue
Schwierigkeiten mit liberalen und protestantischen Regierungen. In Deutschland
verbot Bismarck im sog. Kulturkampf 1872 den Jesuitenorden durch die
"Jesuitengesetze", die bis 1917 in Kraft blieben. Der Orden erhielt
den Stempel einer konservativen und ultrapäpstlichen Organisation, der durch
die päpstliche Gesinnung vieler Jesuiten im sog. Modernistenstreit unter Papst
Pius X. zusätzlich genährt wurde.
Zur
Abwehr solcher "modernistischer Strömungen" in der Bibelwissenschaft
und Glaubenslehre wurde in Rom 1909 das Päpstliche Bibelinstitut gegründet und
den Jesuiten anvertraut, die dort bereits seit langer Zeit die im 16. Jhdt. gegründete Universität "Gregoriana"
betreuten. Gerade das Bibelinstitut sollte jedoch, statt der Verteidigung
althergebrachter kirchlicher Positionen, langfristig die gegenteilige Richtung
führen, und dem Orden und dann auch der Kirche helfen, das katholische Defizit
in den Bibelwissenschaften allmählich aufzuholen. Doch damit sind wir schon in
der Zeit des letzten Schritts unserer Betrachtung des Jesuitenordens angelangt.
2) Die
zweite Phase der Gesellschaft Jesu
Diese
zweite Phase des Ordens setzte teilweise mit denVerfolgungen
ein, die der Jesuitenordens in der Zeit der
Hitlerdiktatur in Deutschland und Europa zu erleiden hatte. Vor allem aber
hängt sie mit der geistigen Umbruchsituation zusammen, die seit dem zweiten
Weltkrieg die abendländische Welt mit bisher ungeahnten Experimenten und
Erneuerungen konfrontiert. Dieser geistige Umbruch ist bis heute nicht
abgeschlossen.
Diese
neue Phase kann hier nur ganz kurz umrissen werden. In der Zeit von Hitlers
Regierung in Deutschland und während des letzten Krieges wurde der Orden
zunehmen behindert und unterdrückt. Im Krieg selbst wurden die Mitglieder des
Ordens für "wehrunwürdig" erklärt und aus der Wehrmacht ausgestoßen.
Zahlreiche Jesuiten waren in Konzentrationslagern, vor allem in Dachau; mehrere
wurden hingerichtet.
Umso
größer war das Wachstum, das der Orden nach dem Krieg erlebte, besonders in den
USA, in Spanien, aber auch in Deutschland. Um 1964 zählte der Orden rund 36.000
Mitglieder und war mit Abstand der größte Orden innerhalb der katholischen
Kirche.
Seither geht
die Zahl der Jesuiten allerdings stetig zurück entsprechend einem generellen
Trend in der westlichen Welt, wovon auch andere Orden und der Priesternachwuchs
in der Kirche dramatisch betroffen ist. So zählte der
Orden am 1. Januar 2006 nur mehr 19.500 Mitglieder, was im Vergleich zu 1964
einen Rückgang von ca. 16.500 Mitgliedern bedeutet. Von diesen 19.500 Mann sind 13.700 Priester, 3060 Priesterstudenten, 1865
Laienbrüder und 897 Novizen, welche die ersten zwei Probejahre absolvieren.
Organisatorisch
ist der Orden in 10 Assistenzen aufgeteilt, d.h. in Verwaltungseinheiten, denen
jeweils ein Pater als "Assistent" vorsteht. Jeweils mehrere
"Provinzen" einer Region, denen ein "Provinzial" vorsteht,
werden in Rom von einem "Assistenten" des Generaloberen betreut. So
gehört z.B. die Österreichische Provinz zur Assistenz von Zentraleuropa, der
außerdem fünf weitere Provinzen angehören: Deutschland, Schweiz, Holland,
Litauen und Ungarn. Diese Assistenz ist mit 746 Mitgliedern die kleinste,
während die von Südasien (mit Indien) mit über 4000 Jesuiten die größte
Assistenz ist (vor den USA mit über 3000 Mitgliedern).
Die
Tätigkeit des Ordens heute ist weltweit und weit gespannt: sie reicht über die
Leitung von Universitäten bis zur Betreuung von obdachlosen Straßenkindern, von
intellektuellen Schriftstellern und Redakteuren bis zur einfachen Seelsorge,
von der Leitung von Radio- und Fernsehstationen bis zu Missionen in allen
Erdteilen.
Es ist
nicht möglich, hier näher auf diese vielfältigen Tätigkeiten einzugehen. Auch
soll hier nicht zu sehr Propaganda für den Orden gemacht werden. Wer nähere
Einzelheiten über diese Arbeiten erfahren möchte, für den gibt es eine kleine
Broschüre mit dem Titel: "Der Jesuitenorden heute", erschienen im
Jahre 2000 im Verlag Matthias Grünewald in Mainz. Das Büchlein ist über die
Jesuiten in Wien (1. Bezirk), Dr. Ignaz-Seipel-Platz
1, zu beziehen.
Ich danke
für Ihre Aufmerksamkeit!