Die Vereinigungsphilosophie des Friedens
Mag. Herbert Wolf, Institut für Vereinigungsphilosophie
Sehr geehrte Friedensbotschafter, sehr geehrte Damen und
Herren, es ist mir eine große Ehre heute an diesem Friedensfest anlässlich der
Sommersonnenwende Ihnen einige zentrale Gedanken über das wie nie zuvor der
ganzen Menschheit so am Herzen liegende Thema „Friede“ vom Gesichtspunkt der
Vereinigungsphilosophie vortragen zu dürfen.
Die Bedeutung des Begriffs „Frieden“
Bevor ich auf die Vereinigungsphilosophie des Friedens
eingehe, möchte ich zuerst kurz über die bisherigen Versuche einer allgemeinen
Definition des Begriffs „Frieden“ im herkömmlichen Sinne reflektieren.
Der Begriff „Friede“ wird einerseits im alltäglichen
Verständnis im Sinne eines Zustandes als die „Abwesenheit von Krieg“
verstanden. Die Friedens- und Konfliktforschung fasst den Begriff jedoch
weiter. Sie unterscheidet zwischen dem negativen Frieden als der Abwesenheit
direkter, personaler, durch ein Subjekt-Objekt-Verhältnis gekennzeichneter Gewaltanwendung
und dem positiven Frieden, der sich auf einen politisch-gesellschaftlichen
Ideal-Zustand bezieht. Dieser hängt von den moralisch-ethischen Grundannahmen
und Normen, von den gesellschaftlichen und politischen Wertvorstellungen des
Einzelnen oder der Gruppe, die sich mit dem Inhalt des Friedensbegriffs jeweils
auseinander setzen, ab. Folglich gibt es im Prinzip so viele
positiv-inhaltliche Umschreibungen von Frieden, wie es Gesellschafts- und
Politikmodelle, Weltanschauungen und Glaubensbekenntnisse gibt.
Andererseits wird „Friede“ entweder begriffen als
kosmisches Ordnungsprinzip, als überhistorischer, gleichsam konzentrierter
Ausdruck einer Weltordnung. Diese findet ihren letzten Legitimationspunkt erst
in Gott, dann in der allen Menschen natürlich gegebenen Vernunft. Schließlich:
im Kontext des ersten Argumentationszuges erscheint der Krieg als
Unterbrechung, als Störung des naturwüchsigen Friedens. In der zweiten
Traditionslinie ist der Krieg – Folge menschlichen Verfehlens und sündhaften Verhaltens
aufgrund der Willensfreiheit. Schon diese unterschiedlichen Positionen in
der dualen Argumentationskette zeigen, dass es eine geschichtliche Epochen
übergreifende, vom jeweiligen ethisch-normativen und/oder
politisch-philosophischen Kontext losgelöste Allgemeindefinition von Frieden
nicht gibt.
Der indianische Friedensprophet Arhomyus
az Zylawinos Häuptling Chyunkujoma, so genannter Weißer Adler, der letzte
Häuptling des Volkes Quanquitunga, brachte in seiner Friedensbotschaft
folgendes über den Begriff „Frieden“ zum Ausdruck: „FRIEDEN ist der höchste
Überbegriff für alle inneren positiven Eigenschaften und für alle inneren
Wünsche, wie zum Beispiel der Wunsch, glücklich zu sein, oder der Wunsch, sein
Glück zu suchen. FRIEDEN hat eine nicht anerkannte Philosophie, und dies ist
die Philosophie des FRIEDENS selbst. FRIEDEN-HABEN bedeutet, dass der Mensch
die Einheit von Seele, Geist und Körper hat. Die Philosophie des FRIEDENS kommt
aus der Seele, und die Philosophie des FRIEDENS ist für jeden Menschen
persönlich bestimmt worden“.
Welchen Stellenwert nimmt der Friede in der Vereinigungsphilosophie ein? Bevor ich darauf eingehe, möchte ich kurz einige Gedanke über den Ursprung der Vereinigungsphilosophie, was im engeren Sinne von „Tongil Sasang“ (ins englische übersetzt: Unification Thought) zu verstehen ist, erläutern. Sie ist das Gedankengut von Rev. Moon, das auf einer Offenbarung des Wortes Gottes beruht und von Dr. Sung Hun Lee, dem ehemaligen Präsidenten des Unification Thought Instituts von Korea, systematisiert wurden. Er stammt aus einer konfuzianischen Familie und sein Vater war ein konfuzianischer Gelehrter und Patriot, der sich aktiv an der Unabhängigkeitsbewegung Koreas einsetzte. „Tongil Sasang“ ist viel mehr als nur eine Philosophie, denn sie beinhaltet nicht nur philosophische, sondern auch theologische Aspekte. Sie ist eine allumfassende Standard- und Reformtheorie. Es werden alle zentralen Themen entsprechend der herkömmlichen Philosophie behandelt. Einen besonderen Stellenwert nimmt die Theorie des Urbildes ein, wo ausführlich auf das Wesen Gottes eingegangen wird, aber auch die Seinslehre (Ontologie) sowie die Theorie der ursprünglichen menschlichen Natur spielen eine wesentliche Rolle. Im Rahmen dieses Vortrages werde ich besonders in Bezug auf das Thema „Friede“ auf relevante Stellen eingehen.
Rev. Dr. Sun Myung Moon präsentiert seinen fundamentalen Vorschlag zur Verwirklichung des Friedens innerhalb eines Kontextes von Einzelperson, Familie, Gesellschaft, Nation und Welt. Er hebt die Notwendigkeit der Religionen hervor, die sich mit Herz und Geist befassen, sich zu versöhnen und zu vereinigen. Die kostbaren Lehren unserer Religionen sind Quellen der Weisheit, die in der Menschheitsgeschichte immer ein Licht der Hoffnung waren. Um die Ideologie des Friedens Substanz werden zu lassen, setzte er zahlreiche Aktivitäten zur Vereinigung der Religionen. Er gründete unzählige Organisationen zur Förderung einer Friedensbewegung, die zurecht das Markenzeichen "Weltfriede" tragen, wie die „Internationale Familienföderation für Weltfrieden und Vereinigung“ (IFFWFV), die Interreligiöse und Internationale Föderation für den Weltfrieden (IIFWF), die Frauenföderation für den Weltfrieden (FFWF), die Jugendföderation für den Weltfrieden (JFWF), die Weltfriedensakademie für Professoren(PWPA) um nur einige zu nennen.
Die Bedeutung des Begriffs „Friede“ in der Vereinigungsphilosophie
Das koreanische Wort für „Frieden“ birgt eine tiefe Bedeutung in sich. Es besteht aus zwei chinesischen Schriftzeichen. Das eine heißt: [Pyong] und das andere [Hwa]. Das Zeichen „Pyong“ bedeutet „horizontal“, „Gleichheit“, „Ausgeglichenheit“ und „Hwa“ bedeutet „Harmonisieren“, „harmonisch“, Übereinstimmung, Einigkeit“. Man könnte auch sagen, Pyong symbolisiert den Frieden auf der individuellen Ebene, den Frieden im Einzelmenschen und „Hwa“, das im eigentlichen Sinn Familienmitglieder im harmonischen Austausch beim Esstisch bedeutet, symbolisiert den Frieden auf der familiären Ebene, zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern sowie den Geschwistern untereinander.
Dieser
Begriff kommt in seiner Bedeutung genau dem eigentlichen Sinn des
Friedensbegriffes in der Vereinigungsphilosophie nahe. Nämlich versteht die
Vereinigungsphilosophie die Wahre Bedeutung des Friedens in der
Verwirklichung der vertikalen Geist-Körper-Einheit im Einzelmenschen und auf
horizontaler Ebene in der Familie als Ehemann und Ehefrau sowie als Eltern und
Kinder durch die Realisation von Gottes Schöpfungsideals eines vollkommenen,
ausgeglichenen harmonischen Lebens in Übereinstimmung mit den Willen Gottes
durch seine Wahre Liebe.
Ursache der Konflikte und Kriege
Bevor wir
das Problem der Realisierung des Friedens behandeln, müssen wir uns zuerst mit
der Ursache der Konflikte und Kriege beschäftigen. Ohne eine vollständige
Erklärung über die grundlegenden Ursachen aller Auseinandersetzungen werden wir
den erwünschten Frieden nie erreichen können. Nur den Zustand von Konfliktvermeidung,
Abwesenheit von Krieg durch von Menschen geschaffene und definierte Gesetze und
Vereinbarungen reichen nicht aus und schützen uns noch lange nicht
davor. Denn die Geschichte lehrt uns die reale Praxis, wie schnell diese
gebrochen und übergangen worden sind und immer noch nicht eingehalten werden.
Auch dem deutschen Philosophen Emmanuel Kant lag der Gedanke eines Völkerbundes und ewigen Frieden sehr am Herzen, dass er ihn in dem philosophischen Entwurf „Zum Ewigen Frieden“ in der Metaphysik der Sitten, in seiner Rechtslehre die Begründung eines dauernden Friedenszustandes formulierte. Aber diese bezog sich eben eher auf externe Bedingung zwischenstaatlicher Regelungen. Solange sich die Menschen daran hielten, konnten sie zu einem gewissen Ausmaß Frieden erleben. Und wenn sich jeder Mensch an seinen Grundsatz der praktischen Vernunft: „Handle so, dass dein Willensvorhaben jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“, würde es in dieser Welt keine Kriege geben. Denn wer will schon einen Krieg? Schon für Konfuzius lautete die „Goldene Regel“ des menschlichen Verhaltens, die er als vollkommene Tugend ansah und bei vielen Völkern wiederkehrt; „Was du selbst nicht wünschst, tu nicht den andern an!“
All die
unzähligen von Menschen geschaffenen Gesetze dienen scheinbar in erster Linie,
um Konflikte zu verhindern. Sie haben eher unser Leben verkompliziert und uns
immer mehr in unserer Freiheit eingeschränkt. Außerdem haben sie auch meist nur
eine relative Gültigkeit. Erst ein Zusammenleben, das durch das
universelle, himmlische Gesetz geregelt wird und für alle Menschen ewige
Gültigkeit besitzt, wird den ewigen Weltfrieden garantieren.
Es gilt
zu klären, ob diese Konflikte ein essenzieller Bestandteil des menschlichen
Lebens sind und ob der Ausgangspunkt der menschlichen Existenz bereits an einem
Urkonflikt verankert ist? Wenn ja, dann wären alle unsere Bemühungen Frieden zu
schaffen zum Scheitern verurteilt. Gibt es aber ein konfliktloses,
ursprüngliches Ideal, dann haben wir die große Hoffnung, dass wir es eines
Tages erreichen und den lang ersehnten Frieden herbeiführen können.
Ein kranker Mensch kann nur geheilt werden, wenn wir seinen ursprünglichen Gesundheitszustand kennen. Genauso können wir den innerlichen und äußerlichen Heilungsprozess des menschlichen Lebens nur zu einem Erfolg verhelfen, wenn wir das ursprüngliche Ideal des Menschen kennen.
Die
Theorie der ursprünglichen menschlichen Natur der Vereinigungsphilosphie
vertritt den Standpunkt, dass der Mensch seit Beginn seiner Geschichte aufgrund
der Trennung zu seinem Ursprung sein ursprüngliches Selbst verloren hat und
somit hat er auch die Fähigkeit verloren, seine ursprüngliche Natur und die
ursprüngliche ideale Welt zu verwirklichen.
Ich
erinnere mich noch gut an eine Vorlesung über Epistemologie eines Koreanischen
Professors, der das Buch über die Erkenntnismethode der Wahrheit des
Philosophieprofessors an der Universität München, Alexander Varga von Kibed ins Koreanische übersetzte und daraus folgendes
zitierte: „Die Geschichte vom Paradies, wo der erste Mensch lebte, enthält eine
tiefe Wahrheit. Bevor der Mensch von der Frucht des Baumes der Erkenntnis
gegessen hatte, lebte er in der Wahrheit mit Gott, er hatte etwas, das durch
den Sündenfall verloren gegangen ist. Durch den Südenfall wurde der Mensch ein
Suchender, der die Wahrheit sucht, während er vor dem Sündenfall nicht
Suchender war, sondern in der Wahrheit existierte. Durch den Sündenfall begann
eine unheilvolle Entwicklung, die die Menschheit mit Vernichtung bedroht, denn
der Motor dieser Entwicklung ist die isolierte, eigenmächtige Vernunft, die das
Heil nicht sieht und das Heil nicht bringen kann.“
So
kultivierte der Mensch eine auf sich Selbstbezogene Natur, eine egozentrische
Natur und so kam es zur widersprüchlichen Natur im Menschen. Es kam zu einer
Umkehrung der ursprünglichen Ordnung. Zu einer Verdrehung der
Geist-Körper-Beziehung. Der Gesamtzweck wurde dem Individualzweck untergeordnet.
Es war die Geburt des Geist-Körper-Konflikts, der tragische Beginn einer
leidvollen Menschheitsgeschichte, an deren Folgen wir heute noch zu kämpfen
haben.
Der indianische Friedensprophet Arhomyus
az Zylawinos sagt dazu in
seiner Friedensbotschaft: „Da der Mensch mit sehr starker weltlicher
Imagination gebunden ist, gerät er ständig in Konflikt mit seinem Geist und
Körper, was seine eigene Friedensphilosophie, die in seiner Seele lebt,
blockiert.“ „Solange der Mensch noch Konflikte mit sich persönlich hat,
Konflikte zwischen Geist und Körper, kann er die Friedensphilosophie nicht
erreichen.“
Auch der
Apostel Paulus bringt im Römer 7,22-24 seine Klage zum Ausdruck:
"Denn in meinem Innern freue ich mich am Gesetz Gottes; ich sehe aber ein
anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit
liegt und mich gefangen hält im Gesetz der Sünde, von dem meine Glieder
beherrscht werden. Ich unglücklicher Mensch!" Selbst Gautama Buddha hat
seine weltliche Position aufgegeben, um Antworten auf Fragen zu finden, warum
der Mensch mit Leidem verbunden ist. Und so könnte man noch unzählige Beispiele
aufzählen, die diesen Widerspruch im Menschen, den Konflikt zwischen
seinem Geist und Körper zum Ausdruck bringen.
Der Weg zur Realisierung des Wahren Friedens
Wir sehen
also der Wahre Friede beginnt nirgendwo anders als in mir selbst. Ich
selbst muss beginnen, den Frieden in mir zu errichten, dann folgt der Friede in
der Familie und nur auf dieser Grundlage besteht eine Hoffnung für den Frieden
in unseren Gemeinschaften, den Nationen und der Welt.
Der Friede wird dementsprechend in drei Stufen verwirklicht. Auf der individuellen Ebene durch die harmonische auf Gott ausgerichtete Geist-Körper-Einheit, auf der familiären Ebene durch die harmonische Einheit von Ehemann und Ehefrau, sowie Eltern und Kindern und schließlich durch die harmonische Einheit im Zusammenleben mit dem Mitmenschen, in der Gesellschaft, Nation und der gesamte Schöpfung.
Erst wenn
der Mensch die Einheit mit Gott wiederhergestellt hat, wird Wahrer Frieden
möglich sein. Der Wahre Friede beginnt dort, wo die Versöhnung des
Menschen mit Gott zustande kommt. Der erste Schritt des Friedens wird also in
der Wiederherstellung dieser gebrochenen partnerschaftlichen Beziehung zwischen
Gott und dem Menschen realisiert.
In der Vereinigungsphilosophie ist der Ursprung des Friedens Gott. Gott ist das ewig vereinte, harmonische Wesen, der Inbegriff und die Verkörperung des Friedens selbst. Solange wir sein Wesen, seinen Willen, sein Schöpfungsmotiv, seine ursprüngliche Beziehung zu den Menschen nicht wirklich aufrichtig verstehen, werden wir den ewigen Wahren Frieden niemals verwirklichen können.
Um die Probleme des Geist-Körper-Konflikts zu lösen, müssen wir zuerst das Ideal für den Menschen verstehen, das heißt den ursprünglichen Menschen. Der Mensch wurde schließlich im Bilde Gottes geschaffen; um zu verstehen, was der Mensch ist, müssen wir das Ideal für den Menschen kennen d.h. Gott selbst.
In der
Theorie des Urbildes der Vereinigungsphilosphie wird
das Wesen Gottes, nicht Gott selbst, was ja im zeit-räumlichen Kontext gar
nicht möglich ist, zu einem gewissen Ausmaß für unser menschliches
Verständnis abgehandelt. Zu unserer persönlichen Friedensfindung möchte ich
hier auf die für uns wichtigsten zentralsten Eigenschaften des Wesen Gottes
eingehen.
Das Wesen
Gottes wird vielseitig umschrieben. Er ist allmächtig, allwissend,
allgegenwärtig. Gott ist absolut, einzigartig und vollkommen. Er ist der
Urheber, das ultimative Subjekt der Liebe. Gott ist der Ursprung des
Universums. Gott ist die Quelle der Liebe. Aber unter all diesen Eigenschaften,
hebt die Vereinigungsphilosophie besonders hervor, dass Gott ein Gott des
Herzens ist. Das Herz Gottes spielt die zentrale Rolle.
Gott liebt den Menschen, denn der Mensch ist sein höchstes Meisterwerk der Schöpfung, die Krönung der Schöpfung. Der Mensch ist sein liebender Partner, die Quelle des Glücks und der Freude. Erst durch den Menschen findet selbst Gott die Vollendung seiner Vollkommenheit. Aber auch für den Menschen ist Gott die unendliche Quelle der Liebe und Freude und des Friedens. Eine weitere wichtige Tatsache ist, dass Gott nicht irgendwo unabhängig vom Menschen existiert. Ganz im Gegenteil, sein Schöpfungsideal findet erst durch den Menschen seine Erfüllung. Der Mensch ist sein absolut notwendiger Partner. Erst im Menschen, als Krönung seiner Schöpfung verkörpert sich der unendliche Geist Gottes. Genauso wie Gott von uns Menschen in diesem Sinne abhängig ist, kann auch der Mensch letzten Endes nur durch Gott seine Erfüllung finden.
Die
fundamentalste Beziehung im Universum ist also die Beziehung von Eltern und Kindern.
Wenn diese Beziehung vervollkommnet ist, wird das Universum vereint und der
Weltfriede errichtet sein. Gott bildet also den universellen Standard des
Friedens.
Die
Realisation ewiger Freude im harmonischen Zusammenleben mit seinem Partner dem
Menschen und der gesamten Schöpfung ist der eigentliche Sinn und das
ursprüngliche Motiv. Erst dieses tiefe Verständnis über das Wesen Gottes und
sein Schöpfungsmotiv lässt uns unseren Lebenssinn erkennen und leitet uns zu
unserem eigentlichen Lebensziel.
Gott ist
auch ein vereinigtes harmonisches Wesen, das den Ursprung der polaren Wesenzüge
geistiger und körperlicher sowie männlicher und weiblicher Natur in seiner
gesamten Schöpfung verkörpert. Diese fundamentale Polarität in seinem
harmonischen Zusammenspiel offenbart sich im gesamten Universum. Auf
diese Weise ist Gott sowie seine individuellen Wahrheitsverkörperungen
das Ideal bzw. Vorbild der Geist-Körper-Einheit sowie der Einheit von
Ehemann und Ehefrau. Das Wesen Gottes kommt also einerseits im Einzelmensch und
in der Einheit von Ehemann und Ehefrau zum Ausdruck. Zu dem Grad, wo ein
Ehemann und eine Ehefrau die vertikale Geist-Körper-Einheit erreicht haben, zu
diesem Ausmaß werden sie auch eine harmonische Einheit auf horizontaler Eben
erreichen mit Gott als Mittelpunkt.
Friede wird durch ein Leben zum Wohle der Mitmenschen verwirklicht
Wenn wir
das Universum ganz genau untersuchen, werden wir erkennen, dass nichts für sich
selbst, unabhängig von einander existiert. Jede Existenz, was immer es auch sein
mag, steht irgendwie in einem bestimmten Verhältnis zu einem anderen Wesen.
Kein Wesen existiert also unabhängig von einander. Es ist ein
Füreinanderexistieren. Es besteht ein Übergeordneter Zusammenhang. Das
Universelle ist dem Individuellem übergeordnet, sowie der Gesamtzweck dem
Individualzweck, somit auch der Geist dem Körper. Daher haben auch geistige
Angelegenheiten den Vorrang gegenüber dem körperlichen. Es geht also um die
Wiederherstellung der ursprünglichen Ordnung. Und das Praktizieren der Philosophie
eines „Leben zum Wohl des Anderen“ ist der erste Schritt dazu. Die Loslösung
vom Egozentrischen und der Übergang zum selbstlosen Dienst dem Mitmenschen
gegenüber ist gefragt.
Zur Zeit
der Gründung Koreas war die Hauptideologie die Idee des „Hongik-Ingan“
(des großherzigen Menschen). Der großherzige Mensch war ein Mensch, der immer
zum Vorteil und Nutzen des anderen lebt und ihm hilfreich zur Seite steht. In
dieser Idee des „Hongik-Ingan“ können die Menschen
nicht voneinander getrennt sein und ein voneinander isoliertes Leben führen.
Ein Mensch zu sein bedeutet danach, dass man anderen hilft und von anderen
Hilfe empfängt. Also ein sich gegenseitiges Helfen. Geben und Empfangen
bedeutet hier jedoch nicht, dass jemand nur einmal gibt, um mehrmals zu
Empfangen, sondern zu Geben ohne dass man dabei Erwartungen setzt, dafür etwas
zu bekommen.
Denselben
Geist dieser Ideologie finden wir in der Philosophie von Han,
nämlich, dass die Menschen eine untrennbare Verbindung miteinander haben.
Han“ bedeutet „Groß“, der Himmel, der Eine und
Einzige, die Gesamtheit“. Die Han-Philosophie ist ein
Gedankensystem, das nicht vom Westen nach Korea kam, sondern eine rein
koreanische Entwicklung, die 1960 seine Ausgereiftheit erlangt hat. Gelehrte
von allen Bereichen haben begonnen die koreanische Geschichte, Sprache und
Kultur neu zu untersuchen in der Bemühung das Wahre Korea zu entdecken und
gleichzeitig die Basis für ein charakteristisch koreanisches
Gedankensystem zu erarbeiten. Zu der Zeit gewann die koreanische Philosophie
eine neue Identität, welche sich mit den Veränderungen der modernen Welt
entwickeln konnte. Mit anderen Worten wurde die koreanische Philosophie als Han-Philosophie neu geboren.
Diese Art
des Wertsystems der Han-Philosophie erschien bereits
im frühen Altertum der koreanischen Gesellschaft. Praktische Beispiele
dieses Geistes finden wir in „Samkuk-Saki“
(historische Aufzeichnungen der drei Dynastien Koreas). Dort können wir lesen,
wie die Koreaner im Süden in den Bergen und Tälern zu Stämmen organisiert
waren. Zurzeit von Chinhan (der alte Name von Silla und dessen Ära) gab es sechs zentrale Dörfer, die
später zum Zentrum der neuen Silla Dynastie wurden.
In jedem dieser Dörfer lebten mehrere Clans nebeneinander. Jedes Dorf war mit
dem anderen Dorf durch ein Bündnis gegenseitiger Hilfe vereinigt.
Es gab in
Silla noch eine andere Institution, die diesen Geist
verkörperte, nämlich „Hwarang-do“ (Der Weg der
blühenden Jugend). Der Zweck von Hwarang-do war
intelligente junge Leute aus guten Familien in einer eigenen Gemeinschaft im
Geist der Einheit und Zielstrebigkeit zu erziehen und zu trainieren. Wenn
sie dann, was sie dort gelernt hatten, in die Praxis umsetzten, war es in
erster Linie nicht im Geringsten für irgendein individuelles Interesse oder
Vorteil, sondern ausschließlich für das Wohl des Landes und ihrer Rasse.
Ein Poet,
Schriftsteller und Gelehrter der Silla-Dynasty, Choe Chi Won
sagte, dass der Kern des geistigen Lebens von Hwarang-do
darin liegt, sich ein totales, vollständiges Bild vom Leben zu machen. Die
tiefe Gesamtbetrachtung ist das wesentliche. Sie studierten und kultivierten
einen feinen moralischen Charakter. Sie ernteten immer Vertrauen und Respekt
von den Menschen und wurden zur treibenden Kraft in der Entwicklung des Landes
und der Gesellschaft ihrer Zeit. Ich persönlich war unheimlich beeindruckt, wie
tief verwurzelt dieses Konzept im täglichen Leben der Koreaner steckt und trotz
Einfluss individualistischer Lebensweisen noch immer praktiziert wird.
Es ist
also notwendig den Standpunkt einzunehmen: Ich existiere für Dich. Friede wird
nur dort entstehen, wo einer zum anderen sagt: "Ich bin für dich da"
und auch danach lebt. In anderen Worten, nur wenn Familienmitglieder füreinander
leben, kann die Basis für Frieden entstehen und nur dann sind die Bedingungen
gegeben, auf denen Freude entstehen und erblühen kann. "Zum Wohle des
anderen zu leben" ist das Prinzip des Ursprungs des Universums.
Hier
beginnt das Konzept der Ewigkeit der Wahren Liebe des Wahren Ideals und des
Wahren ewigen Friedens. Das wird also nur dort entstehen können, wo einer für
den anderen lebt. Die Einheit dieser Welt beginnt dort, wo Menschen mehr für
andere leben als für sich selbst. Das Praktizieren eines „Leben zum Wohle des
Anderen“ ist der Weg zum Wahren, ewigen Frieden. Solange jemand seine eigenen
Interessen in den Vordergrund stellt, kann es keinen Frieden geben. Niemand
anderer in der Welt als Gott selbst, hat diesen vorbildhaften Standard des Praktizierens
eines Lebens zum Wohl des Anderen“ realisiert. Er hat sein gesamtes Wesen 100°
in sein Schöpfungsideal investiert und arbeitet noch unermüdlich daran, dass es
eines Tages seine absolute Vollendung findet. Das gesamte Universum
beruht auf dem Prinzip des Füreinander-Existierens. Angefangen von der
kleinsten Einheit bis zum höchsten Wesen existiert alles zum Wohl des anderen.
Erst wenn der Mensch vollkommen glücklich ist, kann Gott selbst Glück und
Freude erleben. Stellt jemand seine individuellen Interessen über die
Interessen der ganzen Familie, kann es keine Frieden in der Familie geben.
Leben Familien nur für ihre eigenen Interessen, kann es keine Frieden in der
Gesellschaft geben. Praktiziert eine Nation nur eine Politik zu ihrem eigenen
Interesse und Vorteil, kann es keinen Weltfrieden geben. Die meisten Religionen
transzendieren zwar die nationalen Grenzen, beharren
jedoch meist auf ihre eigenen Glaubensdoktrinen und alleinigen
Wahrheitsanspruch, was dann zu Konflikten mit anderen führt. Solange wir
unsere eigenen individuellen, familiären, gesellschaftlichen und nationalen
Interessen und Vorteile in den Vordergrund stellen, wird der ersehnte Friede
nur Zukunftsmusik bleiben, von dem wir nur träumen können. Der Grundsatz lautet
also: Der Gesamtzweck steht über dem Individualzweck. Das ist ein universelles,
himmlisches Gesetz. Wir müssen zuerst danach trachten, dass es dem Anderen gut
geht, bevor wir an uns selbst denken.
Auch in
der koreanischen Han-Philosophie wird in erster Linie
nicht die Detailrealität in Betracht gezogen, sondern sie versucht immer die
Realität als Gesamtes zu erfassen. Die Realität wird nicht als ein von zwei
getrennten Einheiten Unabhängiges betrachtet, sondern als Gesamteinheit beider.
Nur wenn wir die zwei als ein Gesamtes, als eine Einheit betrachten, können wir
schließlich die Wahrheit entdecken. Der Ansatz der Han-Philosohpie
beruht also auf ein vereinigtes Gesamtes. Was hier die
Vereinigungsphilosophie auszeichnet, ist, dass sie den Ursprung dieser
vereinigten Gesamtheit im Wesen Gottes begründet sieht.
Wenn wir
uns nur auf eine Seite der Realität konzentrieren und lassen die andere
unberücksichtigt, können wir niemals die Wahrheit einer Sache erkennen. Diese
Art der Wahrheitserkennung ist eigentlich nichts Neues für die Koreaner. Wir
können diese in ihrer Betrachtungsweise von Leben und Tod schon bei den
Koreanern im Altertum finden. Für sie waren Leben und Tod nicht zwei separat, entgegengesetzte Realitäten. Denn der Tod bedeutet nicht
das Ende des Lebens, sondern ein Übergang in ein anderes Leben. Auch vom
Gesichtspunkt der Vereinigungsphilosophie ist der Tod eigentlich die Geburt zu
einem neuen Leben höherer Dimension. Menschen mögen sterben, aber niemals
aufhören zu existieren. Die Erkenntnislehre der Han-Philosophie
versucht also immer alle Dinge in ihrer Gesamtheit, als eine Einheit ihrer
Bestandteile sowie dessen Zusammenwirken untereinander zu erfassen.
In der Han-Philosophie beruht der Standard des Guten in einem
Gesichtspunkt der vereinigten Gesamtheit. Sie betrachtet den Herrscher (also
den Regenten) eines Landes und das Volk, das von ihm regiert wird, nicht als
zwei separate Realitäten. Sie erlaubt nicht die Logik, dass es dem Volk
schlecht geht und unglücklich ist, während der Regent im Überfluss lebt und
sich vergnügt. Der Regent und das Volk können nicht in einem entgegengesetzt
polarisierten Verhältnis stehen.
Daher
müssen wir den ultimativen Gesamtzweck, der Gemeinzweck, der universell
begründet ist, erkennen und uns darauf ausrichten. Die Individualität, das
individuell Charakteristische einer Einzelperson, bzw. Interessensgruppe soll
ja nicht völlig aufgehoben werden. Ganz im Gegenteil, die Individualität nimmt
in der Vereinigungsphilosophie einen hohen Stellenwert ein. Denn gerade diese
individuelle Charakteristik in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit und
Vielfältigkeit ist ein unentbehrlicher Bestandteil, was die Erfüllung des
ursprünglichen Schöpfungssinnes, den ewigen Kreislauf der Erzeugung
immerwährender Freude, garantiert.
Offenbart
sich nicht gerade im Bereich der Musik, um ein reales Beispiel eines Orchesters
anzuführen, die Verwirklichung des göttlichen Ideals eines harmonischen,
friedvollen Zusammenlebens? Obwohl in einem Orchester die Musiker verschieden
Instrumente spielen, so gibt es doch etwas was sie gemeinsam spielen, nämlich
das Musikstück. Es ist das Musikstück, das sie miteinander verbindet zu einem
harmonischen Ganzen. Was wäre wenn jeder Musiker zur gleichen Zeit und am
gleichen Ort nicht nur sein eigenes Instrument, sondern auch sein eigenes
Musikstück spielen würde?
Ein
Chaos, ein Durcheinander, eine große Unordnung. Genau dieses Spiegelbild können
wir im gewissen Sinne auf unsere Gesellschaft übertragen. Was wir für die
Verwirklichung des Wahren Friedens in dieser Welt brauchen, ist ein
übergeordnetes universelles Gesamtheitskonzept, in dem jeder Einzelmensch,
Familie, Interessensgruppen der Gesellschaft, Nationen ihre entsprechende Rolle
einnehmen und seinen entsprechenden Platz finden kann. Und dieses
Gesamtheitskonzept eines friedlichen Zusammenlebens, in dem das Glück und die
Freude für jeden garantiert ist, kann uns niemand anderer vermitteln als Gott,
der Schöpfer selbst.
Die Philosophie des Friedens und der Liebe
Was
bildet das Fundament für Frieden? Es ist die wahre Liebe. Sie kommt aus
der unversiegbaren Quelle des Herzen Gottes hervor. Und diese Liebe findet nur
Erfüllung in der ewigen Einheit. Das chinesische Schriftzeichen für
"Himmel" symbolisiert diesen Zustand. Es
besteht aus dem Zeichen mit der Bedeutung "zwei" und dem Zeichen für
"Mensch", also zwei Menschen, die eine vollkommene Einheit bilden.
Durch diese Einheit werden gleichzeitig Himmel und Erde, der Mikrokosmos
mit dem Makrokosmos verbunden.
Wo keine
Liebe ist, gibt es auch keinen Frieden. Wo keine Liebe ist, ist auch
natürlich keine Freude.
Ich war
immer überwältigt zu sehen, was für eine opferbereite Liebe die koreanischen
Eltern ihren Kindern entgegen bringen. Sie vergleichen die Liebe der Mutter
häufig mit Wasser. Wasser, das ununterbrochen durch eine Mauer rinnt, selbst
wenn man sie ständig abdichtet. Es ist erstaunlich zu beobachten, wie sich eine
80jährige Mutter noch um ihre 60jährige Tochter kümmert. Diese innige
Verbindung zwischen den koreanischen Eltern zu ihren Kindern ist kaum
beschreibbar. Sie betrachten sich und ihre Kinder als eine Einheit. Hierin
liegt auch der Ursprung für die treibende Kraft für den Fortschritt in ihrer
Gesellschaft.
Der erste
Schritt zur Realisation des Friedens beginnt also in uns selbst. Hier am
Ausgangspunkt aller Konflikte müssen wir mit der Lösung ansetzen. Es gibt viele
Methoden dazu, das zu erreichen, wie Fasten, Beten, und diverse Techniken, die
uns helfen können diese Geist-Körper-Einheit wiederherzustellen und darunter
ist wohl die Philosophie des Praktizierens eines Lebens zum Wohl unserer
Mitmenschen einer der nobelsten Wege. Vor allem muss uns aber ganz klar bewusst
sein, wie dieses Ideal der Geist-Körper Einheit eigentlich aussehen soll und
dass das noch nicht das Endziel ist, sondern erst die Grundlage für das
eigentliche Ziel.
Nämlich
die Verwirklichung einer harmonischen, gesunden Familie durch die vollkommene
Einheit von Ehemann und Ehefrau, eine Familie deren Eltern die Verkörperung der
Wahren Liebe und des Geist Gottes ihren Kindern gegenüber darstellen, die
Quelle aller Freude und Glückseeligkeit. Auf dem Weg dorthin ist die
Bereitschaft für ein gegenseitiges Verständnis, Vergebung, Versöhnung sowie
eine opferbereite Einstellung von wichtiger Bedeutung. Und schließlich auf der
Grundlage solcher Familien, die dieses Prinzip auf die nächst höhere Ebene der
Gesellschaft, Nation und Welt übertragen, werden wir den Wahren Weltfrieden
letztendlich realisieren können.
Es gibt einen koreanischen Spruch, der heißt [Ka-hwa-man-sa-seong] „Alles wird erfolgreich und friedlich, wenn in der Familie Friede und Harmonie herrschen“. Je mehr Liebe geteilt wird, desto mehr Einheit, Harmonie und Friede werden an diesem Ort sein.
In diesem
Sinne mögen diese tiefgründigen Anregungen zur Realisation des Wahren
Weltfriedens beitragen und möge der Segen Gottes Sie bei Ihrer ehrenvollen
Aufgabe als Friedenbotschafter für alle Ewigkeit begleiten.
So
wünsche ich Ihnen für den weiteren Verlauf dieses Friedensfest zur
Sommersonnenwende noch ein besonders friedvolles und unterhaltsames
Beisammensein. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Vortrag beim "Friedensfest zur Sonnenwende" am 19.6.2003 im Haus Regenbogen, Seebenstein)