Versöhnung als Weg zu einem gemeinsamen Europa
Freitag,
4. 2. 2005, 19:00 h
Courtyard by Marriott Hotel, Linz, Europaplatz 2
Referenten:
Gunther Trübswasser, Linz; LAbg. und Klubobmann der
Grünen OÖ
Mag. Ondřej Liška, Brno; Religions- und
Politikwissenschafter, Berater für Regionalentwicklung in Brüssel und Abg. im
Stadtrat von Brno
Univ.-Prof. Dr. Josef Wolf; Anthropologe,
Karls-Universität Prag
Peter Zöhrer, Wien; Vorsitzender der IIFWP
Mitteleuropa
Kultureller Beitrag: Streichquartett Spielberg, Brno
Moderator: Kurt Sattlberger
Bericht:
Das Streichquartett Spielberg spielte zur Eröffnung ein
Divertimento von W. A. Mozart und sorgte damit für eine harmonische und gelöste
Atmosphäre.
Danach begrüßte Mag. Albert Heitzinger, Professor
an der Bruckner-Universität, im Namen der Föderation für
Weltfrieden alle anwesenden Gäste, vor allem jene aus Tschechien und der
Slowakei, die Referenten und die Vertreter des öffentlichen Lebens.
Namentlich nannte er:
LA Mag. Otto Gumpinger (als Vertreter von LH Dr. J.
Pühringer),
GR Dr. Franz Leidenmühler (als Vertreter von Bgm.
Franz Dobusch, Linz),
Dr. Juraj Lajda, den Repräsentanten der
tschechischen Sektion der Interreligious
International Federation for World Peace (IIFWP) sowie
Peter Haider, Vorsitzender der Österreichischen Föderation
für Weltfrieden.
Prof. Heitzinger wies darauf hin, dass das Thema „Versöhnung
als Weg zu einem gemeinsamen Europa“ uns Oberösterreicher in
besonderem Maße betrifft.
Als Musiker sprach er vor allem die starke kulturelle
Verbundenheit dieser Länder an – haben doch Franz Schubert und Gustav Mahler
ihre Wurzeln im nördlichen Nachbarland. Den in Böhmen geborenen und an allen
europäischen Fürstenhöfen gefeierten Hornvirtuosen und Freund Mozarts und
Beethovens Jan V. Stich apostrophierte er als „Ahnherren aller Hornisten“.
LAbg. Dr. Otto
Gumpinger (Präsident des Österreichischen Familienbundes)stellte fest,
dass Musik ein guter Einstieg in die Friedenspolitik sei. Er übermittelte die
Grüße des Landeshauptmannes, besonders an die Gäste aus dem Ausland. Dann
wies er darauf hin, dass Sprache der größte Kultur- und Kommunikationsträger
ist. Er sprach seinen Dank all jenen gegenüber aus, die sich für Frieden
einsetzen. Am schwierigsten sei der Friede im Kleinen, Frieden in den
Beziehungen in der eigenen Familie. In den alltäglichen Begegnungen herrsche
wesentlich mehr Betroffenheit, dort sei wesentlich mehr Anstrengung notwendig, müsse
oft auf eigene Vorstellungen verzichtet werden. Daher ist es wichtig, dass
Friede in der Familie beginnt. Nur so und erst dann könnten wir ihn global
voranbringen. Das zwanzigste Jahrhundert war weltweit von Kriegen erschüttert.
All das müssen wir erst aufarbeiten und zu einer Wertegemeinschaft finden, in
der die Menschrechte eine zentrale Stellung einnehmen. Diese Aufarbeitung der
Vergangenheit geht allerdings weit über die Generationen hinaus. Friede sei
nicht selbstverständlich, er müsse immer wieder neu errungen und so erhalten
werden. Um geistige Harmonie muss man sich immer wieder bemühen. Er begrüßte
alle Projekte, die Brücken bauen helfen, auch zwischen den verschiedenen
Religionen. Schließlich bedankte er sich bei den Initiatoren der Veranstaltung,
dass sie sich über ihre eigenen Wurzeln hinaus um diesen Frieden und diese Brückenbauten
bemühten und wünschte alles Gute.
Gemeinderat Dr.
Franz Leidenmühler überbrachte die Grüße und wünsche des Linzer Bürgermeisters
sowie des gesamten Gemeinderates. Er betonte, dass solche Veranstaltungen
wichtig seien, um durch einen lebendigen Dialog zur Versöhnung zu gelangen. Als
Völkerrechtslehrer an der Universität Linz sei er der Ansicht, dass dieser
Dialog, diese Auseinandersetzung auch in GB und in Frankreich zu führen wäre.
Wir seien wahrscheinlich auf Grund von Schuldbewusstsein schon weiter. Linz sei
dafür ein fruchtbarer Boden. Bereits im Jahre 1986 wurde Linz auf Grund eines
Gemeinderatsbeschlusses zur Friedensstadt ernannt. Im Hinblick auf diesen
Frieden wünschte er den Veranstaltern und Teilnehmern alles Gute.
Kurt Sattlberger,
der die Veranstaltung moderierte, stellte kurz
die veranstaltende Organisation, die Föderation
für Weltfrieden vor. Als NGO habe sie internationalen und interreligiösen
Charakter und als solche vor kurzem den Beraterstatus bei der UNO erhalten.
Angestrebtes Ziel ist es, in der UNO eine zweite Kammer zu etablieren, die über
alle nationalen Interessen hinaus an der Lösung globaler Probleme mitwirkt. Herr Sattlberger erwähnte auch
MEPI (Middle East Peace Initiative),
die bereits des Öfteren internationale Pilgerreisen, Friedenskonferenzen und
Kundgebungen in Israel und Ram Allah veranstaltet habe. Er selbst habe an einer
solchen Initiative im September 2004 teilgenommen. Einen tiefen Eindruck hätte
bei ihm eine Kundgebung bei der neu errichteten Sperrmauer hinterlassen, wo ein
amerikanischer Pastor gesagt hat, dass es wichtig sei, dass sich die Menschen im
Herzen versöhnten, dann seinen derartige Mauern, die keineswegs dem Willen
Gottes entsprächen, nicht mehr notwendig. Ein weiteres Projekt der Internationalen
und Interreligiösen Föderation für Weltfrieden sei die Ernennung von
Friedensbotschaftern. Weltweit sind es zurzeit ca. 40.000, die ein weltweites
Netzwerk von Friedensbemühungen bilden.
Nach diesen einführenden
Worten las Herr Sattlberger einen Brief von Professor Robert Harencar aus Bratislava
vor, der aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend sein und daher sein
vorgesehenes Referat nicht halten konnte.
In seinem Schreiben führte Prof. Harencar u. a. aus, dass Europa
aus historischen Gründen zu einer der wichtigsten Regionen der Welt gehöre.
Mit ihren zurzeit 25 Staaten hätte die EU
gute Aussichten, einen wichtigen Beitrag für Versöhnung zu leisten. Auch Österreich
sei eine lehrreiche Quelle für Demokratie, Wirtschaft usw. Unsere
Zusammenarbeit innerhalb der EU sei nicht nur für Mitteleuropa, sondern für
ganz Europa und die Welt ein wichtiger Beitrag.
Landtagsabgeordneter
Gunther Trübswasser, geboren 1944 in Brünn, Sohn eines deutschen Vaters
und einer tschechischen Mutter, hielt das erste Referat zum Thema. Herr Peter Zöhrer,
u. a. Initiator von FOREF (Forum für Religionsfreiheit) habe ihm vor einigen
Wochen das Friedensprojekt im Nahen Osten vorgestellt. Er, Trübswasser, habe
ihm den Vorschlag unterbreitet, eine Veranstaltung
auf die Beine zu stellen, die sich mit Frieden und Versöhnung vor der
eigenen Haustüre beschäftigt. Denn je weiter die Probleme entfernt sind, desto
leichter können wir darüber reden und Patentlösungen vorschlagen.
Die Beziehung zwischen Österreich und Tschechien ist durch
das Schicksal der Sudetendeutschen beeinflusst, obwohl Deutschland die
Schutzherrschaft über diese Volksgruppe übernommen hatte. Tschechen und Österreicher
seien seit vielen Jahrhunderten „verfreundet“ (Zitat nach J.Grusa), wie zwei
Personen, die einander gut kennen und jeder weiß, wie er den anderen ärgern
kann.
Gunther Trübswasser sei in die Politik gegangen, weil
„ich glaube, dass die Politik einen Beitrag für den Frieden leisten kann“.
Die FÖW muss den Boden bereiten, aber es ist notwendig, dass die Politik
konkrete Schritte setzt. Offene Herzen und der Wunsch nach Frieden sind
notwendig, doch es müssen durch die Politik Rahmenbedingungen geschaffen und
wichtige Maßnahmen gesetzt werden.
Im Zuge der Anti-Atom-Bewegung wurden reine Sachthemen mit
emotionalen Themen, wie die Gräuel des 2. Weltkrieges, vermischt, und
herausgekommen ist ein antislawischer Grundton, vergleichbar mit dem
Deutsch-Französischem Verhältnis. Er habe als Gegner der Kernkraft die
Diskussion um Temelin beobachtet. Oberösterreich war ja auch gegen Wackersdorf,
das hat aber nie zu einer antibayrischen Kampagne geführt. Temelin wurde als
ganz unterschiedlicher Konflikt gesehen. Es kam zu Grenzsperren, was der Sache
geschadet hat. Heute stehen wir vor der Aufgabe, die letzten 40 Jahre zu einem
stabilen Ende zu bringen. Man kann heute von einem Jahrtausendprojekt sprechen,
um Feinde zu versöhnen. Das ist die Aufgabe der Politik in Oberösterreich und
Tschechien. Österreich und Europa müssen konkrete Schritte zu setzen, um
jugendverbindende, wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen aufzubauen, damit
wir einander kennen lernen. Wir stehen noch am Anfang einer neuen Beziehung, die
sehr leicht durch Vorurteile und durch die belastete Geschichte gestört werden
kann. Aufgrund seiner Herkunftsfamilie sei es ihm, Trübswasser, ein persönliches
Anliegen, die Geschichte aufzuarbeiten. Die Verbrechen kann man nicht
wiedergutmachen, doch kann man im Bewusstsein, dass es Unrecht war, einen
Prozess in die Wege leiten, dass so etwas in Zukunft nicht mehr möglich ist.
Z.B. einen Fond einrichten, einen institutionalisierten Vorgang beginnen usw.
Dies sei nicht nur eine Aufgabe der NGO’s, sondern auch und vor allem der
staatlichen Einrichtungen. Daher die These: Ich achte jede Friedensinitiative
auf NGO-Basis, aber es ist nicht genug. Wir brauchen staatliche Bemühungen,
Einrichtungen und Fonds, die dieses Zusammenwachsen vorantreiben.
Das zweite Referat
hielt der 1978 in Brünn geborene Religions- und Politikwissenschaftler Mag. O.
Liska. Mit jugendlichem Elan und in hervorragendem Deutsch berichtete er von
seinem Werdegang und seinem Engagement. Schon früh hatte er einen Jugendverein
gegründet mit dem Titel: Jugend für
interkulturelle Verständigung zwischen Deutschen, Tschechen, Österreichern,
Roma usw. Mit anderen jungen Menschen
wollte er herausfinden, warum am 30. Mai 1945 ca. 25000 bis 30000 Deutsche aus
ihrer Heimat Brünn vertrieben worden waren. Er wurde mehrmals gefragt,
warum er sich mit deutsch-tschechischen Beziehungen beschäftige, ob er etwa
eine deutsche Großmutter hätte oder in eine Deutsche verliebt sei. Doch dieses
Ereignis könne man nicht aus der Geschichte ausblenden, man muss sich damit
auseinandersetzen. In der Folge haben diese jungen Menschen nicht nur über
dieses Tabu gesprochen, sondern sich auch für
Roma-Kinder eingesetzt, jüdische Friedhöfe gereinigt u. ä. m. Waren sie
vorher als Nestbeschmutzer beschimpft worden, so konnten sie damit zeigen, dass
sie nicht von Sudetendeutschen aufgehetzt worden waren. In ihrer jungen
flammenden Sorge um Versöhnung haben sie nicht an politische Konsequenzen
gedacht, es ging ihnen einfach um Verständigung.
Brünn ist von Juden, Deutschen, Tschechen, Sinti und Roma geprägt, und diese
Wurzeln wollten sie wieder finden Zuerst war es ein persönliches Motiv, aber
dies alles hat auch eine politische Seite. Sie haben noch keine komplexe Antwort
gefunden, diese beiden Bereiche gehören zu unserem Leben. „Kurz vor ihrem
Tod“ berichtete Herr Liska, „sagte mir meine Großmutter, dass sie aus dem
Sudetenland vertrieben wurde. Auf meine Frage, warum sie nie darüber gesprochen
hätte, sagte sie: ,Ich hab sie als individuelle Menschen gesehen. Das
nationalistische Bewusstsein ist wie ein Virus und die kollektive Versöhnung
schwierig.’“ Von Mensch zu Mensch ist Versöhnung leichter möglich, aber
wir dürfen nicht auf die Sprache der Politik verzichten, wir müssen Leute
mobilisieren, dass sie Werte praktizieren. Liska betonte auch, dass Politiker
auf allen Seiten diese Symbole missbraucht haben, besonders vor Wahlen.
Für Menschen, die sich für Frieden engagieren, ist es wichtig, dass sie diese
Dinge hinterfragen, die die Betroffenen suchen und fragen, was sie tun können
und nicht nur Schwarz-Weiß-Malerei betreiben. Diese Aufgabe beinhaltet zwei
Punkte: erstens eine gemeinsame Sprache, und zweitens eine gemeinsame
Perspektive für ein gemeinsames Europa zu finden. Ich hoffe es gibt
verschiedene Initiativen, wie z.B. das Österreichisch.-Tschechische
Dialogforum.
Peter Zöhrer präsentierte nach diesen punktgenauen und lebendigen
Referaten via Powerpoint grundlegende Prinzipien zur Versöhnung. Diese stellen
ein Instrument dar, die es allen Beteiligten möglich machen, Versöhnung auf
allen Ebenen zwischenmenschlichen Zusammenlebens herbeizuführen.
Danach meldete sich
noch der Anthropologe, Univ. Prof. Dr. Josef Wolf aus Prag zu Wort. Er stellte
mit Genugtuung fest, dass an diesem Abend auch Kinder anwesend waren. Denn
Kinder seien das Wichtigste. Die Zukunft blüht nur, wenn Kinder da sind. Er sei
erst einige Stunden in Linz, doch er fühle sich hier wie zu Hause. Versöhnung
sei der Weg zu einem gemeinsamen Europa und wir haben die Möglichkeit, daran
mitzuarbeiten.
Der Moderator des Abends bedankte sich, dass die Gäste aus Tschechien in unserer
Sprache mit uns gesprochen haben, ihm sei dies umgekehrt leider nicht möglich.
In der anschließenden
regen Diskussion wurde deutlich, dass einerseits ein enormer Nachholbedarf und
andererseits große Bereitschaft seitens der Betroffenen in punkto Versöhnung
vorhanden ist. Hiezu sei es erforderlich, sich Kenntnisse der jeweils anderen
Sprache anzueignen und die Ursachen, die zu den Gräueln geführt haben, von
allen denkbaren Seiten her zu beleuchten, meinte Herr Dr. Kührer aus Wien.
Paul Ettl, Gemeinderat in Aschach, regte an, die Idee von Partnerschaften
zwischen Gemeinden und Ortschaften in Oberösterreich und Tschechien zu
forcieren und zu einer Landessache zu machen.
Zu vorgerückter
Stunde kamen die Referenten vom Podium für eine Schlussrunde zu Wort: Trübswasser
sprach sich dafür aus, die Ärmel hochzukrempeln und uns ganz persönlich
einzubringen, um an der Versöhnung und am Frieden nachhaltig zu arbeiten, denn
wir befinden uns gleichsam auf einer schiefen Ebene: Stillstand bedeutet Rückschritt.
Auch wir sind vor Zuständen wie in Belfast nicht gefeit. Nicht
die Unterschiede der Menschen sind Schuld, sondern diese werden für
machtpolitische Gründe vorgeschoben. Jeder
bedankte sich noch für den interessanten und zu Herzen gehenden Abend.
Gewissermaßen als „Tupfen auf dem I" wurden
an jeden Gast kleine böhmische Kuchen, mit einem kleinen Kärtchen
versehn, verteilt: Darauf standen folgende Zitate:
Es kann nur eine friedvolle Familie von Nationen geben,
wenn es Nationen mit friedvollen Familien gibt. (Rev. Sun Myung Moon)
Der Friede beginnt im eigenen Haus. (Dr.Rudolf Kirchschläger,
ehem. Österr. Bundespräs.)
Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig
zu zeigen – nein: unserer Enkelkinder. (Bertha von Suttner)
Den Abend beschloss sehr harmonisch das Streichquartett Spielberg mit Musik von Antonin Dvorak.
F.d.I.v.: Prof. Albert Heitzinger, Bäckermühlweg 63/20, 4030 Linz
Um Antwort wird gebeten. Tel: (0732) 37 13 43 oder Email: a.heitzinger@eduhi.at
|