In Wien hat sich am 7. Oktober 2019 eine neue
interreligiöse Plattform die "Coalition
of Faith based Organizations"
gegründet, die sich in die UNO einbringen und
die Rolle der Religionen in der UNO zur Geltung bringen will. Zu Beginn der
abendlichen Veranstaltung mit dem Thema „Spiritualität und Justiz
– Kooperationsfelder?”, bei
der über 100 Personen teilnahmen, fasste der österreichische Diplomat Martin Pammer, im Außenministerium
für den Dialog der Kulturen verantwortlich, in seinem Statement den Grundtenor
der neuen Initiative zusammen: Religion müsse Teil der Lösung von Konflikten
sein und nicht das eigentliche Problem.
Vertreter aus vielen
kirchlichen Richtungen (römisch-katholisch, evangelisch, altkatholisch,
syrisch-orthodox), von Judentum, Islam und Buddhismus unterzeichneten zum
Beginn einer Podiumsdiskussion im Stephanisaal der
Erzdiözese Wien die Gründungsurkunde der „Wiener Koalition religiöser Organisationen
für UN-Programme“ (international: Coalition of Faith based Organizations) (FBO). Für
die Erzdiözese Wien sprach der Wiener Weihbischof Franz Scharl bei der
Unterzeichnung von der Hoffnung, dass damit ein konstruktiver Beitrag für den
Frieden in der Welt geleistet werde. Er glaube an das Gelingen der Initiative,
für die es freilich einen langen Atem brauchen werde.
Die Protagonisten der neuen Koalition verfolgen mit
ihrer Initiative auch gleich ein konkretes Vorhaben. Beim im April 2020
anstehenden 14. UN-Kongress zum Thema „Crime Prevention
and Criminal Justice“ in Kyoto (Japan) soll der
Grundsatz angenommen werden, wonach die Behandlung von Gefangenen, die
Erziehung zu Gerechtigkeit und die bessere Achtung der Menschenwürde auch der
religiösen Gefangenen mehr zu respektieren und unterschiedliche
Religionsbekenntnisse mehr zu tolerieren seien.
Das würde etwa für die
aufgrund ihres Glaubens inhaftierten Menschen in vielen Ländern eine massive
Unterstützung bedeuten, so Elmar Kuhn, Generalsekretär von "Christen und
Not". Initiatoren der neuen Plattform sind der langjährigen UN-Mitarbeiter
Michael Platzer, Weihbischof Franz Scharl, Elmar Kuhn, Peter Haider von der
"Universal Peace Federation", Tobias Krachler von „Dominicans for peace and justice“
und die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste.
Die Unterzeichnung der
Gründungsurkunde fand im Stephanisaal am
Stephansplatz statt und war zugleich auch der Auftakt für eine
Podiumsdiskussion zum Thema "Spiritualität und Justiz - Kooperationsfelder?".
Der evangelische Pfarrer Markus Fellinger, der seit
acht Jahren Gefängnisseelsorger ist, bezeichnete das Gefängnis als "den
religiösesten Ort überhaupt in der Gesellschaft". Eine solche religiöse
wie auch kulturelle Pluralität wie im Gefängnis finde man sonst kaum, so der
Pfarrer. Er verwies darauf, dass in den Gefängnissen Ostösterreichs nur 25
Prozent der Insassen österreichische Staatsbürger seien, und von diesen hätten
nochmals die Hälfte Migrationshintergrund. Bis in die engsten Hafträume hinein
seien dort diverse Kulturen vereint. Für die Seelsorge gelte es, künftig
stärker überkonfessionell zu denken. Es brauche einen neuen Seelsorgebegriff,
"der sich mehr an einer allgemeinen Spiritualität orientiert als an der
konkreten Religions- oder Kirchenzugehörigkeit der einzelnen Insassen".
Freilich räumte Fellinger auch ein: "Wir tun uns
sehr schwer, mit dieser multikulturellen Pluralität umzugehen."
Der altkatholische Bischof
Heinz Lederleitner sprach vom "Recht als eine
geerdete Form der Liebe". Ohne Recht könne auch Liebe nicht verwirklicht
werden, denn Recht und Liebe würden einander ergänzen, wie auch Recht und
Spiritualität zusammengehörten. Das müsse bei der Gefängnisseelsorge zum Tragen
kommen. Die Gründung der neuen interreligiösen Plattform bezeichnete Lederleitner als "möglicherweise historischen
Akt". Freilich müsse die Initiative auch von möglichst vielen Menschen
guten Willens an der Basis mitgetragen werden.
Dzemal Sibljakovic,
Leiter der islamischen Gefängnisseelsorge in Österreich und früherer Lehrer,
meinte ergänzend zu Pfarrer Fellinger: "Als
multikultureller Ort kommt eine Schule oft nahe an eine Haftanstalt
heran." Es sei problematisch, Religionen immer nur im Zusammenhang mit
Problemen heranzuziehen. Der gebürtige Bosnier plädierte für
"Rechtmäßigkeit der Religion in einem Rechtsstaat". Spiritueller
Zugang habe einen Mehrwert, könne er in seiner Arbeit als Gefängnisseelsorger
immer wieder erleben.
Die Bedeutung des Dialogs hob
der Präsident der Buddhistischen Religionsgesellschaft, Gerhard Weissgrab, hervor. Er rief zum Miteinander auf: "Bei
Problemen gibt es keine Alternative zum Dialog." Ziel des interreligiösen
Dialogs sei es nicht, eine gemeinsame Einheitsreligion zu schaffen, vielmehr
dürften Unterschiede bestehen bleiben und müssten respektiert werden.
Gleichzeit gelte es, Gemeinsamkeiten zu suchen. Dafür brauche es
"unendliche Geduld", müsse doch der interreligiöse Dialog "immer
wieder aufs Neue begonnen werden" - was nicht als Scheitern missverstanden
werden dürfe, wie Weissgrab betonte. Es handle sich
dabei vielmehr um eine "normale, wenn auch mühsame Herausforderung".
Auch John Clark von der
Jüdischen Liberalen Gemeinde in Wien legte ein Plädoyer für den Dialog ab. Er
ermutigte dazu, den Austausch mit Vertretern anderer Religionen zu suchen.
"Aus der Vielfalt beziehen wir Stärke. Zusammenhalt gibt Kraft", so
Clark. Das in Wien ansässige "König Abdullah Zentrum für Interreligiösen
und Interkulturellen Dialog" (KAICIID) hält Partnerschaften wie die neu
konstituierte "Coalition of Faith based Organizations" für
wichtig im Sinne nachhaltiger Entwicklung. Das betonte Renata Nelson als
Vertreterin des Dialogzentrums in ihrem Statement. Sie verwies auf bereits
bestehende Kooperationen zwischen religiösen und internationalen
Organisationen.
Vorausgegangen war der
Podiumsdiskussion eine hochrangige Konferenz am Sitz der Vereinten Nationen in
Wien. Neben den auch an der abendlichen Podiumsdiskussion vertretene Kirchen
und Religionen nahmen daran auch zahlreiche Botschafter und Vertreter der
Vereinten Nationen teil.